© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/10 30. April 2010

Ein Mantel für alle
Zu Lasten des Lesers: Vier große deutsche Regionalzeitungen werden künftig von einer Zentrale beliefert
Andreas Wild

Jetzt ist es also soweit. Seit letztem Montag tragen vier große deutsche Regionalzeitungen, nämlich die Berliner Zeitung, die Mitteldeutsche Zeitung (Halle), der Kölner Stadtanzeiger und die Frankfurter Rundschau, einen sogenannten Mantel, das heißt, ihre zentralen Redaktionen, Politik und Wirtschaft, werden von einer gemeinsamen auswärtigen „Redaktions GmbH“ mit Beiträgen beliefert. Die Redakteure der einzelnen Zeitungen selbst können nur noch „gestaltend“ eingreifen, können redigieren und arrangieren. „Dichten“ tun von nun ab andere.

Der Kölner Pressekonzern Neven-Dumont/Schauberg, dem die Zeitungen gehören, ist auf energischem „Rationalisierungskurs“. Zur selben Zeit, da die neue Redaktions GmbH ihre Arbeit aufnahm, wurde bekannt, daß auch die Kölner Rundschau, die ebenfalls zu Neven-Dumont gehört und in Köln und Umgebung für eine „konservative“ Alternative zum Stadtanzeiger sorgen soll, einen Mantel erhält, nur kommt der nicht von der Redaktions GmbH, sondern vom Bonner Generalanzeiger, der auch die diversen Umlandausgaben der Rundschau übernimmt.

Um es drastisch auszudrücken: Vom Stadtanzeiger, von der Berliner Zeitung, der Mitteldeutschen Zeitung, der Frankfurter Rundschau und von der Kölner Rundschau sind nur noch Fassaden übrig. Die Unruhe unter den Redaktionsmitgliedern ist dementsprechend groß. Die Redakteure der Berliner Zeitung haben bereits offen protestiert. Neven-Dumont seinerseits spricht, wie in solchen Fällen üblich, von „Synergieeffekten“. Kein Arbeitsplatz werde gefährdet. Alles bleibe im Grunde beim Alten.

Wer’s glaubt, wird selig. Das Wort „Synergieeffekt“ ist in der Branche längst zum Schreckgespenst geworden, zum Synonym für Entlassung bzw. „Freistellung“. Und ein Überwechseln der Freigestellten in die Redaktions GmbH ist faktisch unmöglich, denn diese besteht gerade mal aus 22 Reportern nebst drei Assistenten. Man will auf Konzernseite sparen, keineswegs mehr Geld ausgeben.

Leidtragende dieser Entwicklung sind – neben den Zeitungsredakteuren – vor allem die Zeitungskonsumenten. Auch wenn sie längst daran gewöhnt sind, daß in den meisten Konzernzeitungen hierzulande dasselbe steht.

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