© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/10 30. April 2010

König Kurt fürchtet um seinen Thron
Rheinland-Pfalz: Die frühere Weinkönigin Julia Klöckner könnte den amtsmüden Landesvater Kurt Beck in Bedrängnis bringen, doch die CDU kämpft mit Altlasten
Hans Christians

Es gibt spöttische Stimmen, die sagen, der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) habe seine stärksten Auftritte auf heimischen Weinfesten. Nimmt man diese Qualität zum Maßstab für die politische Stimmung im Land, dann könnte dem ehemaligen SPD-Bundesvorsitzenden nun ernsthafte Konkurrenz drohen.

Denn mit der 37jährigen Julia Klöckner hat die sich seit knapp zwei Jahrzehnten in der Opposition befindliche CDU eine ehemalige Weinkönigin als Herausforderin zur Landtagswahl im kommenden Jahr gewählt. Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium erhielt bei ihrer Kandidatur fast 100 Prozent der Delegiertenstimmen und soll noch in diesem Jahr von Christian Baldauf auch den Landesvorsitz der Christdemokraten übernehmen. Die Chancen für einen Machtwechsel an Rhein und Mosel stehen nicht einmal so schlecht. Ministerpräsident Kurt Beck genießt zwar nach wie vor in der Bevölkerung hohe Beliebtheit, spätestens seit seinem Rückzug von der Berliner Bühne scheint er aber amtsmüde. Rund ein Jahr vor der Abstimmung gilt der Verlust der absoluten Mehrheit bereits als sicher.

Demoskopen haben ermittelt, daß derzeit nur noch 35 Prozent ihr Kreuz bei Becks Partei machen würden, das wären zehn Prozent weniger als bei der Landtagswahl im März 2006. Die CDU käme demnach auf 37 Prozent und hofft darauf, gemeinsam mit der FDP eine schwarz-gelbe Regierung bilden zu können. Die Liberalen, die derzeit auf acht Prozent taxiert werden und die in Rheinland-Pfalz eine vielbeachtete rot-gelbe Regierung über Jahre gestützt haben, wollen sich jedoch nicht festlegen.

Protest gegen geplante Moselbrücke

Denn die Grünen, die 2006 den Sprung in den Mainzer Landtag verpaßt haben, können mit einem zweistelligen Ergebnis rechnen. Und da die ebenfalls außerparlamentarische Linkspartei mit rund fünf Prozent von einem erstmaligen Einzug träumen darf, könnte es am Ende weder für Rot-Grün noch für Schwarz-Gelb reichen.

Kurt Beck dürfte klar sein, daß eine rot-grüne Regierung unter Einbindung der Linkspartei seinen Landesverband spalten würde, der Ministerpräsident setzt deswegen auf eine Ampelkoalition. Ähnliche Absichten verfolgt die neue Herausforderin, die offen mit einem Jamaika-Bündnis kokettiert.

In Sachen Popularität liegt Klöckner allerdings nach wie vor klar hinter Beck, bei einer Direktwahl würde der Ministerpräsident eine absolute Mehrheit erhalten. Dem Amtsinhaber könnte zugute kommen, daß die Menschen seine Art als Krisenmanager schätzen. Vor knapp einem Jahr drängte Beck seinen Finanzminister Ingolf Deubel zum Rücktritt. Der hatte sich als Motor bei der Umwandlung der Formel-1-Rennstrecke Nürburgring zu einem ganzjährigen Freizeitzentrum mächtig verzockt, als er stolz ein Finanzierungskonzept präsentierte, bei dem 50 Millionen Euro eingespart werden sollten.

Als großer Gönner präsentierte sich ein Schweizer Geschäftsmann, der die gewagte Forderung stellte, das Land Rheinland-Pfalz solle vorab satte 95 Millionen Euro auf ein Nummernkonto überweisen. Pech für Deubel, daß der Finanzjongleur nur drei Tage nach Bekanntgabe des Geschäfts in Dubai in Untersuchungshaft kam. Beck, der das Treiben seines Ministers monatelang geduldet hatte, drängte Deubel in einer Nacht-und-Nebelaktion zum Rücktritt und konnte seinen Ruf als Macher erneut unter Beweis stellen.

Dies wäre eigentlich eine Steilvorlage für die Union gewesen, den eingesetzten Untersuchungsausschuß für ihre Zwecke zu nutzen – hätte nicht ihr Abgeordneter Michael Billen, der diesem Gremium angehörte, über seine Tochter, einer Polizistin, geheime Daten aus Ermittlerkreisen bezogen. Gegen Billen läuft nun ein Ermittlungsverfahren wegen Anstiftung zum Geheimnisverrat, sein Mandat läßt er seit Januar dieses Jahres ruhen. Kein Wunder, daß Grüne und Linkspartei in Pressemitteilungen vom „Wilden Westen“ sprechen und sich als unverbrauchte Reformer präsentieren wollen.

Ganz so abwegig ist dieses Unterfangen nicht, hat doch die auch die neue CDU-Hoffnungsträgerin Klöckner mit Finanzskandalen in ihren eigenen Reihen zu kämpfen. So wurde vor einiger Zeit bekannt, daß der ehemalige Fraktionsgeschäftsführer Markus Hebgen Ausflüge ins Rotlichtmilieu mit der Kreditkarte der Landtagsfraktion bezahlt habe. Auch die Tatsache, daß die CDU unter ihrem ehemaligen Landesvorsitzenden Christoph Böhr während des Landtagswahlkampfes 2006 rund 385.000 Euro an eine PR-Agentur überwies, wirft immer noch Fragen auf. Im März mußte die Partei eingestehen, daß für die Ausgaben eindeutige Belege fehlen, eine horrende Strafzahlung könnte die Folge sein.

Großer Gewinner dieser Zustände könnten die Grünen sein, die derzeit die beiden großen Parteien auch bei einem anderen Thema vor sich hertreiben. Gegen den geplanten Bau einer Moselbrücke durch ein Weinbaugebiet hat sich eine einflußreiche Protestgruppe gebildet. Ihr Frontmann ist der ehemalige Außenminister und Weinliebhaber Joschka Fischer. Und sein Einsatz könnte ausgerechnet der ehemaligen Weinkönigin Klöckner den Weg zur Macht versperren.

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