© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/10 30. April 2010

„Das ist Krieg“
Die Zahl linker Gewalttaten explodiert, der 1. Mai steht vor der Tür. Ein Berliner Ex-Polizist redet Klartext.
Moritz Schwarz

Herr Kornacher*, nach der Eskalation der Gewalt im letzten Jahr fürchten alle den „revolutionären 1. Mai“ am Samstag. Was erwarten Sie für diesen Tag?

Kornacher*: Ich erwarte schon lange den ersten Toten auf seiten der Polizei.

Der Grünen-Innenpolitiker Benedikt Lux hält solche Äußerungen für „Panikmache“.

Kornacher: Das ist reine Beschwichtigungspolitik – er muß ja sein Wählerpotential bedienen.

Bisher hat es keine Toten gegeben, warum sollte das nun der Fall sein?

Kornacher: Daß das bislang nicht passiert ist, ist purer Zufall – geben Sie sich da mal keinen falschen Vorstellungen hin.

Inwiefern?

Kornacher: Haben Sie schon mal einen mit voller Wucht geschleuderten Pflasterstein abbekommen?

Nein.

Kornacher: Kollegen wurde dadurch unter anderem der Kiefer zerschmettert. In der Presse ist hinterher nur von „verletzten Polizisten“ die Rede. Das hört sich für den Bürger an wie „Platzwunde am Kopf und zwei Wochen später wieder fit“.

Und tatsächlich?

Kornacher: Über die Jahre wurden Hunderte von Polizisten bei den regelmäßigen Ausschreitungen am 1. Mai verletzt: sicher, viele auch nur leicht, aber andere ... Wer berichtet schon über Kollegen, die zwar überleben, die es aber so schlimm erwischt, daß sie fortan für ihren bis dahin regulären Dienst nicht mehr tauglich sind? Aber das scheint kein medientaugliches Thema zu sein.

Sie haben in Ihrer Zeit als Bereitschaftspolizist alles mitgemacht: Autonomen-Demos, die Räumung besetzter Häuser und Straßenkämpfe in Kreuzberg.

Kornacher: Und nicht nur einen. Sie können sich nicht vorstellen, was das für ein Gefühl ist: nachts im Mannschaftswagen durch Kreuzberg fahren zu müssen, überall brennende Barrikaden, brennende Autos, in der Dunkelheit Vermummte, und man weiß nicht, wo. Und dann mit einem Schlag dieses beklemmende „Tack! Tack! Tack!“, wenn Ihr Wagen unter Beschuß genommen wird: ein Pflastersteinhagel, von dem Sie wissen, daß er Sie sofort töten würde, wenn Sie nicht durch das Fahrzeug, Helm, Schild und einen Ganzkörper-Panzer geschützt wären. Glauben Sie mir, da ist Ihnen nach allem anderen als danach auszusteigen. Doch dann kommt der Befehl: „Absitzen!“ Auch wenn man das nicht zeigt, aber ich glaube nicht, daß es einen Polizisten gibt, der keine Angst hat. Man hat ja genug Phantasie, um sich auszumalen, was einem in den nächsten Stunden so alles passieren kann. Man fragt sich schon: „Werde ich am nächsten Morgen noch leben, noch gesund sein?“

Wie gehen die Polizisten damit um?

Kornacher: Na ja, man ist eben Polizist und muß sich dem stellen. Aber es frustriert, daß sich dafür weder Medien noch Öffentlichkeit – und für letztere ist man ja im Einsatz – interessieren. Denn man ist eben doch nie nur Polizist, sondern auch Mensch, und man ist Ehemann, Vater, Sohn, und nicht nur man selbst zittert, sondern alle Angehörigen ebenso.

Dann geht die Fahrzeugtür auf ...

Kornacher: Draußen ist es dunkel, und überall sind potentielle Gewalttäter, die es auf Sie abgesehen haben. Sie wissen nicht, was, wann, von wo und mit welcher Wucht kommt. In diesem Moment ist das einfach Krieg, Bürgerkrieg!

Ein starkes Wort.

Kornacher: So empfinden eingesetzte Polizisten die Situation. Ich will nicht unterstellen, daß die Mehrheit der Linksextremisten es wirklich darauf abgesehen hat, einen Polizisten zu töten. Aber die wollen Sie auf jeden Fall fertigmachen – so richtig fertigmachen! Und sie nehmen dabei Ihren Tod oder das Ruinieren Ihrer Gesundheit in Kauf. Und wenn es passiert, wird es denen nicht leid tun, denn Sie sind ja kein Mensch, sondern nur ein „Bullenschwein“.

Am 1. Mai wird es allerdings in Berlin auch einen sogenannten „Nazi-Aufmarsch“ geben.

Kornacher: Natürlich ist es schon eine Weile her, daß ich als Bereitschaftspolizist im Einsatz war: Doch ich habe zwar unzählige Male die härteste Gewalt von links erlebt, aber nicht ein einziges Mal von seiten der Rechten. 

Deren Hochburgen sind allerdings anderswo.

Kornacher: Mag sein, ich kann nur von meiner Erfahrung sprechen, und die ist eben so. Dennoch: Wer stört denn rechtswidrig andere Demonstrationen durch Blockaden und ruft öffentlich zur Gewalt auf?

Sie waren bereits bei jenem „legendären“, ersten gewalttätigen 1. Mai 1987 im Einsatz.

Kornacher: Das war der erste „heiße“ 1. Mai, der die unselige „Tradition“ der linken Gewalt an diesem Tag begründet hat.

Hätte dies verhindert werden können?

Kornacher: Nach meiner Meinung: ganz klar ja! Linke Gewalttäter reisen aus ganz Europa an, um den 1. Mai in Berlin zu erleben. Der 1. Mai heute ist nichts, was uns in Berlin unschuldig widerfährt, sondern die Folge einer völlig verfehlten Politik.

Inwiefern?

Kornacher: Obwohl damals noch ein CDU-Senat regiert hat und „Deeskalation“ als Polizeistrategie noch unbekannt war, hat man sich nicht getraut, den Rechtsstaat wirklich konsequent durchzusetzen, wie dieser das nach seinen eigenen Maßstäben erfordert.

Was bedeutet?

Kornacher: Erinnern Sie sich, daß es im Westen Berlins allein über einhundert besetzte Häuser gab? Die Politik war überrascht und überfordert. Polizei aber handelt hoheitlich, das heißt sie darf und muß überall präsent sein, sie darf sich nicht zurückziehen, denn der Rechtsstaat beansprucht das absolute Gewaltmonopol und nicht das relative. Das bedeutet, niemand außer ihm hat Anspruch auf Gewalt – und auch nicht auf einen rechtsfreien Raum. Der Staat hat natürlich einerseits die Demonstrationsfreiheit zu gewährleisten, andererseits aber auch Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten und kann weder Gewalt noch die Androhung von Gewalt dulden. Er kann sich nicht auf „Verhandlungen“ einlassen nach dem Motto: „Wenn sich die Polizei nicht zeigt, sorgt ihr intern dafür, daß alles ruhig bleibt.“ Aber Politik und auch die Polizei versuchen genau das heute als Erfolg zu verkaufen.

Tatsächlich aber hat der Rechtsstaat in diesem Moment kapituliert?

Kornacher: Natürlich, selbst dann, wenn an manchem 1. Mai diese Rechnung halbwegs aufging. Denn der Preis war, den Anspruch auf sein absolutes Gewaltmonopol preiszugegeben. Und die Autonomen haben sehr wohl ein Gespür dafür, was eigentlich ablief, nämlich daß sie einen strategischen Sieg errungen, auch wenn sie taktisch eine Niederlage erlitten hatten, weil sie in diesem Jahr nicht so zu ihrer Randale gekommen waren. Aber der nächste 1. Mai kommt ja gewiß ... Und der springende Punkt ist, daß man so das Entstehen bzw. Verfestigen eines erheblichen gewaltbereiten linksextremen Potentials in Berlin zugelassen hat, was jederzeit eskalieren kann, also nicht nur zum 1. Mai, sondern eben jederzeit.

Wie die explodierenden Zahlen der Gewalt von links in der jüngst vorgestellten Kriminalstatistik 2009 (JF berichtete) zeigen.

Kornacher: Allerdings halte ich es da auch mit Churchill, der gesagt haben soll, er traue keiner Statistik, die er nicht selbst gefälscht habe. Aber ich sehe ein Versagen der Medien, weil sie diese Zusammenhänge nicht aufdecken, sondern den Kuhhandel für einen „ruhigen 1. Mai“ als Erfolg bejubeln und so verschleiern. Die Politik und die offiziellen Medien arbeiten eben Hand in Hand.

Die „Deeskalations“-Strategie stammt allerdings erst von Rot-Grün. Doch unter der CDU hatte man zuvor den 1. Mai auch nicht unter Kontrolle bekommen.

Kornacher: Es stimmt zwar, daß die CDU seinerzeit auf den 1. Mai mit der Aufstellung einer gutausgerüsteten Sondereinheit der Polizei zu dessen Bekämpfung reagiert hat, die leider unter Rot-Grün wieder aufgelöst wurde, aber die Maßnahmen des CDU-Senats waren leider nur vordergründig. Denn die zweite, die eigentliche Niederlage des Rechtsstaats hat vor den Gerichten stattgefunden. Es nützt nichts, wenn man die Polizei mal hart durchgegreifen läßt, schlappe Urteile aber am Ende das ad absurdum führen. Und erzählen Sie mir jetzt nicht, die Politik hätte keinen Einfluß auf die Besetzung der Richterstellen.

Was meinen Sie mit „schlappen Urteilen“?

Kornacher: Schauen Sie sich an, zu welchen Höchstleistungen unsere Gerichte in der Lage sind, wenn einer etwa den rechten Arm hebt: ruckzuck Tausende Euro Geldstrafe!

Ein Brandflaschen-Werfer des 1. Mai 2009 hat vor wenigen Monaten 3 Jahre und 3 Monate bekommen. Stellt Sie das zufrieden?

Kornacher: Jeder weiß, daß er nicht die volle Zeit absitzen wird. Am Ende sind es vielleicht zwei Jahre? Nein, ich bin damit nicht zufrieden, hier geht es um Menschenleben. Und selbst wenn nicht, die Strafe müßte so hoch sein, daß gar niemand auf die Idee kommt, etwas wie eine Brandflasche überhaupt anzufassen. Das muß absolut tabu sein! Aber dieses Gefühl vermittelt der Staat nicht, wie sollen es die Täter begreifen?

Berlins Polizeipräsident klagte im letzten Jahr die mangelnde gesellschaftliche Ablehnung linker Gewalt an.

Kornacher: Da benennt er den springenden Punkt. Die linken Milieus distanzieren sich zwar formal von der linken Gewalt, aber das sind Nebelkerzen. Tatsächlich kommt die linke Gewalt aus Strukturen, aus einer Subkultur, die politische Linke über einen jahrzehntelangen Zeitraum überhaupt erst ermöglicht hat. Und solange auf dieser Ebene kein Schnitt erfolgt, wird es auch mit noch soviel Polizei nicht möglich sein, dauerhaft erfolgreich zu sein. Allerdings ist es in meinen Ohren Hohn, wenn Politiker wie Berlins Innensenator Ehrhart Körting oder Polizeipräsident Dieter Glietsch, die maßgeblich dazu beigetragen haben, eine solche Situation erst entstehen zu lassen, nun darüber klagen.

Brauchen wir also einen „Kampf gegen Links“?

Kornacher: Nein, schon der „Kampf gegen Rechts“ ist vollkommen rechtswidrig, weil es dabei darum geht, Gesinnung zu bestrafen. Aber egal, was einer denkt, dafür darf ihn ein wahrer Rechtsstaat nicht und auch nicht härter bestrafen. Was wir brauchen, ist kein „Kampf gegen Links“, sondern endlich die Rückkehr des Rechtsstaats!

 

Frank Kornacher*, der ehemalige Berliner Polizist mittleren Alters war nur unter Zusicherung absoluter Anonymität zu einem Gespräch bereit und möchte keine weiteren Angaben zu seiner Person veröffentlicht sehen.

*Name von der Redaktion geändert

 

Gewalthauptstadt Berlin: Um 144 Prozent ist laut Kriminalstatistik 2009 die linke Gewalt in Berlin gestiegen, selbst die Berliner Grünen nennen   das inzwischen  „massiv besorgniserregend“. Die FAZ hat die Bundeshauptstadt mittlerweile zur „Hauptstadt des militanten Linksextremismus“ erklärt: Etwa 1.100 der 6.300 bundesweit bekannten Linksextremisten leben hier. Der CDU-Innenausschuß-vorsitzende Wolfgang Bosbach spricht von „rechtsfreien Räumen“ und „Kapitulation“. Berlins Polizeipräsident nennt als Ursache für die Lage in der Stadt, daß demokratische Politiker zu „gewaltbereiten Linksextremisten keine scharfe Grenze ziehen“.

Foto: 1.-Mai-Gewalt in Berlin: „Haben Sie schon mal einen Pflasterstein abbekommen? Kollegen wurde dadurch der Kiefer zertrümmert. Ich erwarte schon lange den ersten Toten auf Seiten der Polizei“

 

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