© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/10 23. April 2010

Der konservative Flügel muckt auf
Richtungsstreit in der CDU: An der Basis regt sich immer deutlicher Widerstand gegen den Modernisierungskurs der Parteiführung unter Angela Merkel
Marcus Schmidt / Christian Vollradt

Eine Revolution droht der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel derzeit wohl noch nicht. In den Führungsgremien stößt ihr Kurs hin zu einer „modernen“ CDU, die sich auch um grüne Wähler kümmert, kaum auf Widerspruch. Dennoch kann sich die Parteichefin nicht entspannt zurücklehnen, denn unter der Oberfläche rumort es kräftig.

Nachdem bislang schon mehr als 5.000 Parteimitglieder das Manifest „Linkstrend stoppen“ unterzeichnet haben (JF 8/10), regt sich auch an anderen Stellen der Basis Widerstand gegen den Modernisierungskurs. Beispielsweise im baden-württembergischen Göppingen: Dort hat der Kreisverband der Jungen Union ein Papier vorgelegt, das Merkels „Berliner Erklärung“ dezidiert konservative Positionen entgegensetzt. In der sogenannten „Eislinger Erklärung“ fordert der Unions-Nachwuchs vor dem Hintergrund der Herausforderungen durch Zuwanderung, Überfremdung und die Gefahren des Islam eine Rückbesinnung auf ursprüngliche christdemokratischen Werte wie christliche Leitkultur, Familie, Nation und Integration. „Nur eine selbstbewußte Nation und eine ihres Glaubens und ihrer Werte bewußte Gesellschaft kann demgegenüber bestehen und kann auch nur dann integrieren im eigentlichen Sinne.“ Außerdem bedürfe es der „Abkehr von der Selbstgeißelung mit den Verbrechen des Dritten Reiches, wie sie von der politischen Linken seit Jahren betrieben wird“, und statt dessen einer vermehrten „Besinnung auf Geschichte und Tradition der deutschen Nation vor 1933 und nach 1945“.

Weiter lehnen die Jungunionisten eine  staatlich Unterstützung von Großmoscheen ab und fordern die konsequente Ablehnung der doppelten Staatsangehörigkeit. Vehement tritt das Papier für eine konservative Familienpolitik ein und stellt sich gegen eine staatliche Förderung von Kinderkrippen. Ihr Strategiepapier versteht die JU als „Plädoyer für eine Wende“ und einen „Aufruf an die Mitglieder der CDU, den Kampf um ihre Partei aufzunehmen“. Im Linkstrend der Partei sehen die Nachwuchsfunktionäre auch eine negative Entwicklung für das Land. Immer mehr Wähler wendeten sich von der Union ab, die innerparteilichen Unmutsbekundungen würden zunehmend lauter.

„Rückbesinnung auf klassische Unionspolitik“

„Ausgerechnet die Liberalen wurden bei der letzten Bundestagswahl so zur Protestpartei für viele Konservative. Deutlicher kann das Dilemma unserer Partei, aber auch das gefährliche Vakuum im sehr einseitig gewordenen Parteiensystem nicht mehr werden“, sagte der stellvertretende Kreisvorsitzende Axel Raisch. Daß die Initiatoren des Papiers noch kein Anruf aus dem Berliner Konrad-Adenauer-Haus erreicht hat, verwundert angesichts der deutlichen Worte. Bislang habe es aus den eigenen Reihen nur positive Reaktionen gegeben, sagte Raisch der JUNGEN FREIHEIT.

Man habe bereits Hunderte von Rückmeldungen aus ganz Deutschland bekommen, sowohl aus der JU als auch von CDU und CSU. „Das ist schon überwältigend“, sagte Raisch. Viele hätten ihre Mitarbeit angeboten. Er räumte ein, daß es sich bei den Positionen des Papiers um Maximalforderungen handelt. „Diese werden sicherlich nicht eins zu eins umgesetzt“, sagte er. Aber nun habe man die breite Diskussion, die beabsichtigt gewesen sei. Schon im Wahlkampf habe er die Unzufriedenheit vieler CDU-Wähler mit dem Kurs der Union gespürt.

Neben dem Frontalangriff der Göppinger JU treffen Merkel bereits die nächsten konservativen Nadelstiche. So hat in der vergangenen Woche der CDU-Kreisverband Wolfenbüttel eine „Wolfenbüttler Erklärung“ veröffentlicht, in der unter anderem eine Rückbesinnung auf die „klassische Unionspolitik“ gefordert wird. „Wenn es uns nicht gelingt, auch dem konservativen Flügel unserer Partei wieder eine Stimme zu geben, dann werden wir in zukünftigen Wahlen für die Union als Volkspartei noch weitaus schwächere Ergebnisse erzielen“, warnen die Autoren.

Auch die JU läßt nicht locker. Für das Wochenende hat der Bremer Landesverband ein Streitgespräch zwischen dem als linksliberal geltenden früheren Bremer Senator Jens Eckhoff und Martin Lohmann, dem Mitinitiator der Aktion „Linkstrend stoppen“, organisiert.

Weitere Informationen im Internet unter www.ju-gp.de  und www.unsere-volkspartei.de

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