© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/10 16. April 2010

Ein Niedergang sucht sein Exempel
Vor dreißig Jahren wurde aus Rhodesien Simbabwe: Traum von der friedlichen Transformationsgesellschaft endete unter Robert Mugabe im Terror und Elend
Matthias Bäkermann

Wäre er zwei Jahre nach seinem Regierungsantritt ermordet worden, würden gegenwärtig bei uns vielleicht auch Getränke zu seinen Ehren konsumiert, analog dem Kakao-Longdrink, der an den ersten Ministerpräsidenten des unabhängigen Kongo, Patrice Lumumba, erinnert. Hätte ihn nach 14 Jahren Regentschaft ein Herzleiden aus dem Leben gerissen, wie es dem immer noch verehrten kenianischen „Vater der Nation“ Jomo Kenyatta widerfuhr, gälte Robert Mugabe vermutlich auch hierzulande als anerkannter Kämpfer gegen die weiße Fremdherrschaft. Jene Wertung erfährt er trotz all seiner verheerenden politischen Bilanzen in Schwarzafrika noch immer. Schließlich ist Mugabe der letzte antikolonialistische Dinosaurier auf dem schwarzen Kontinent, der seit der Unabhängigkeit Simbabwes am 18. April 1980 sein Land regiert. Daß der „imperialistische“ Westen das frühere Rhodesien heute auf der Liste der Schurkenstaaten führt, wird nicht nur von Mugabe selbst, sondern auch von nicht wenigen afrikanischen Staatsmännern der Afrikanischen Union als postkolonialistischer Reflex gewertet.

Dabei konnte sich der 1924 geborene marxistische Rebellenführer vom Volk der Shona mit seiner Zimbabwe African National Union (ZANU) aller Sympathien sicher sein, als er nach jahrelangem Kampf die oft als rassistisch gebrandmarkte, seit 1965 vom Kolonialreich England unabhängige Regierung Rhodesiens unter Premierminister Ian Smith ablöste. Zu verlockend erschien das angekündigte Experiment der „multiracial society“, bei der knapp sechs Millionen Schwarze und die weiße Minderheit (etwa 250.000) einträchtig ihre Zukunft gestalten. „Schwarze sind weit pragmatischer als Weiße, die meist eine bestimmte Weltanschauung im Hinterkopf haben oder einer Ideologie verhaftet sind“, merkte in gewohnter Treffsicherheit Marion Gräfin Donhöff noch 1990 in der Zeit an, die schon vorher vor „schwarzem Pessimismus“ in Rhodesien warnte, der im übrigen nur „von weißen Reaktionären“ geäußert werde, die Rhodesien desillusioniert den Rücken kehrten. „Trauern wir ihnen nicht nach“, ließ sie 1981 einen Geschäftsmann aus der in Harare umbenannten Hauptstadt Salisbury zitieren. Auch im Commenwealth-Mutterland ließ man sich nicht lumpen und spendierte dem studierten Juristen an der Universität Edinburgh die Ehrendoktorwürde, welche man ihm später genauso verschämt wieder aberkannte wie die britische Ritterwürde des exklusiven Bath-Ordens.

Tatsächlich entwickelte sich der Befreiungskrieger zunehmend zum Usurpator. Wurde seine nach 1990 einsetzende „Landreform“ zu Lasten der weißen Farmer zunächst auch in Europa „im Namen der Gerechtigkeit“ positiv kommentiert, wandelte sich das Bild allmählich. Zu deutlich wurde, daß es mit der chaotischen Enteignungspolitik um persönliche Bereicherung seiner Günstlinge, letztlich sogar um eine auf schwarzen Rassismus gegründete ethnische Säuberung Simbabwes von den „weißen Ausbeutern“ (Mugabe) geht. Nach dreißig Jahren ist aus dem prosperierenden Land mit seinen gewaltigen Agrarüberschüssen ein Hungerstaat geworden. Die Lebenserwartung der völlig verarmten Bevölkerung ist – nicht zuletzt durch die weltweit höchste HIV-Infektionsrate von knapp einem Drittel der zwölf Millionen Einwohner – auf 44 Jahre zurückgegangen, die Arbeitslosigkeit beträgt 85 Prozent. Kriminalität und Willkür sind ebenso alltäglich wie eine Hyperinflation. Millionen sind bereits vor der Not und dem blutigen Terror des Diktators in die Nachbarstaaten geflohen. Eine zu gestaltende Zukunft scheint heute niemand mehr zu erhoffen.

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