© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/10 16. April 2010

Aussöhnung als Kriegführung
Unter Beschuß: Alfred Toepfers „Verstrickungen“
Doris Neujahr

Der Hamburger Industrielle und Mäzen Alfred Toepfer (1894–1993), Gründer und Sponsor der gleichnamigen Stiftung, steht in Großbritannien wegen seiner „Verstrickung in das Hitler-Regime“ unter Beschuß. Ein Politikwissenschaftler namens Michael Pinto-Duschinsky fordert die Universität Oxford auf, ihre Verbindungen zur Stiftung zu kappen.

Was eigentlich sind „Verstrickungen“? Toepfer war Staatsbürger des Deutschen Reiches, das von Hitler regiert wurde, hier lag der Schwerpunkt seiner wirtschaftlichen Aktivitäten. „Verstrickt“ war er insofern, als er staatsbürgerliche Loyalität wahrte. Das geschieht in jedem anderen Staat auch. Der NS-Staat, heißt es dann, sei aber derart schlimm gewesen, daß er keinerlei Loyalität verdiente.

Dagegen ist einzuwenden, daß ein schlimmer Staat über desto schlimmere Mittel verfügt, um Gehorsam zu erzwingen. Es ist weniger eine Frage des Rechts als eine Machtfrage, welche „Verstrickungen“ hinterher als verwerflich gelten. Oft geht es um die anhaltende Abstrafung und Ausbeutung des Unterlegenen. Wer sich heute in Deutschland mit diesem Verfahren einverstanden erklärt, weil er sich moralisch, politisch und juristisch auf der sicheren Seite wähnt, sollte bedenken, daß nach Verschiebung der Machtverhältnisse eines Tages Spruchkammern tätig werden könnten, die danach fragen, welcher Deutsche zum Beispiel in antiislamische Feldzüge „verstrickt“ gewesen ist.

Pinto-Duschinsky wird zitiert, „Aussöhnung bedeute, daß die Besiegten die Endgültigkeit ihrer Niederlage eingeständen und die Erwartungen aufgäben, ihre Rechtsansprüche erfüllt zu sehen und ihre Kultur zu bewahren“. Aussöhnung heißt für ihn also: Fortsetzung des Kriegs mit anderen Mitteln! Der Politikwissenschaftler wurde 1943 in Budapest als Kind jüdischer Eltern geboren. Gegen ein Lösegeld durfte seine Familie ausreisen und entging so der Deportation. Der Respekt vor seiner Biographie darf aber nicht blind dafür machen, daß aus den zitierten Worten ein Rachebedürfnis und eine Feinderklärung sprechen. Seine Einordnung der Deutschen als rechtloses Helotenvolk, dessen Pflicht darin liegt, seiner geistigen und kulturellen Auslöschung zuzustimmen, kann für deutsche Politiker und Wissenschaftler kein moralischer und politischer Maßstab sein. Moralisch und intellektuell wäre es sauberer, auf das Wort „Versöhnung“ bzw. „Aussöhnung“, das häufig auch gegen die deutschen Vertriebenen gerichtet wird, künftig ganz zu verzichten. Statt dessen sollte man von „historischer Wahrheit“ reden und die unterschiedlichen Interessen zugeben, die eine identische Annäherung an sie unmöglich machen.

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