© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/10 09. April 2010

Warten auf die Götter aus dem All
Scharlatan oder einsamer Querdenker: Der Ufo-Forscher Erich von Däniken sucht seit Jahrzehnten nach den Extraterristischen
Michaels Manns

Der Neunjährige war tief beeindruckt von diesem Anblick  und sollte ihn jahrelang nicht vergessen. Stumm stiegen die Männer in ihrer merkwürdigen Kleidung – wie Außerirdische – aus dem notgelandeten US-Bomber. Sie gingen an ihm vorüber, ohne ihn anzusprechen oder auch nur eines Blickes zu würdigen. Erich von Däniken erlebte diese unheimliche Begegnung 1944 – vielleicht war sie der tiefste Antrieb, sich später mit Ufos und ähnlichen Fragen zu beschäftigen. Am 14. April wird der gebürtige Schweizer 75 Jahre alt und blickt auf ein ungemein produktives Leben zurück.

Seit 1968 wirft er fast jedes Jahr ein neues Sachbuch auf den Markt; zuletzt erschien von ihm 2009 „Götterdämmerung. Die Rückkehr der Außerirdischen – 2012 und darüber hinaus“ (Kopp Verlag). Die bisherige Bilanz: 31 Bücher, verkaufte Auflage: 63 Millionen, dazu Filme, TV-Serien, Hörbücher, zahllose Vorträge.

Bis heute reist der weltweit erfolgreiche Bestseller-Autor durch die Lande, tritt in Fernseh- und Radiosendungen auf, nimmt an Veranstaltungen teil und hält Vorträge – von seinen Gegnern beschimpft als „paranoider Phantast“, „Ufo-Spinner“ und „Scharlatan“.

Mit dem Buch „Erinnerungen an die Zukunft“ begann es. Nachdem zuerst noch kein Verlag an dem Manuskript Interesse zeigte, landete er dann 1968 bei Econ seinen ersten Coup. Bis 1970 wurden 600.000 Exemplare verkauft. Jeder vierte Deutsche hielt es nach einer Umfrage für möglich, daß unsere Ahnen einst Besucher von fremden Gestirnen empfangen hätten.

1973 sprach man dann von einem Welt-Phänomen, von einer „Dänikenitis“. Binnen 24 Stunden waren in den USA nach einer TV-Sendung 350.000 Bücher verkauft worden. Aber auch der atheistische Kommunismus arrangierte sich mit Dänikens Pseudogöttern aus  dem Universum: 1973 lief sein Film in 24 Moskauer Kinos – heftig beklatscht. Sogar in Maos China wurde seine Botschaft verbreitet.

Nimmt man sein erstes Buch heute noch einmal in die Hand, muß man dem Autor immer noch zugestehen, daß er dort eine äußerst publikumswirksame Mixtur zusammengerührt hat. Seine Technik besteht darin, spannend, auf den ersten Blick plausibel und mit eindringlicher Überzeugungskraft Thesen zu verbreiten. Religiöse Mythen werden ausgeschlachtet und mit angeblichen Ungereimtheiten aus der Wissenschaft garniert. Dabei schlüpft Däniken gerne in die Rolle des einsamen Querdenkers, der vom herrschenden Wissenschaftsbetrieb ignoriert und bekämpft wird. Ist der wegen Betrugs vorbestrafte Schweizer Hotelier ein zweiter Galileo? Oder werden längst bekannte Probleme zu einem Tabu hochstilisiert, das es dann mit viel Pathos zu zertrümmern gilt?

Ist der Schweizer Hotelier ein zweiter Galileo?

Schon in seinem ersten Buch beschäftigt sich Däniken mit der Cheops-Pyramide. Dieses Weltwunder konnte nicht von Menschen erbaut werden, so seine Zweifel. Millionen riesiger Blöcke mußten geschnitten, geschliffen und transportiert werden – von Hunderttausenden Arbeitern. Däniken: „Außerirdische werden hier schwerlich Steine herumgeschoben und sich die Finger schmutzig gemacht haben. Das wäre auch nicht nötig gewesen. Schließlich standen jede Menge Gratis-Arbeitskräfte zur Verfügung, welche die Drecksarbeit leisteten. Ich kann mir allerdings vorstellen, daß ETs bei den Planungen mithalfen, der ‘göttlichen Geometrie’, denn da gibt es eine ganze Menge von offenen Fragen, die nicht ins archäologische Weltbild der damaligen Zeit passen.“

Ausgeblendet wird, daß die ägyptischen Reiche rund 1.000 Jahre lang Pyramiden bauten, dabei Erfahrungen sammelten und ihre Technik perfektionierten: von den Pyramiden-Vorläufern (Mastabas) angefangen über Stufenpyramiden bis zu den Glanzstücken, die wir heute noch bewundern. Und nur die Cheops-Pyramide sollte von Extraterristischen geplant worden sein? Warum hat Däniken so wenig Vertrauen in das Können der Ägypter – immerhin eine Hochkultur, die Astronomie, Geometrie und Mathematik betrieb?

Richtig ist (und wird von der Forschung auch überhaupt nicht bestritten): Es ist immer noch nicht geklärt, wie die Pyramiden genau errichtet wurden. Doch die Mehrzahl der Forscher nimmt mittlerweile an (FAZ vom 20. Dezember 2009), daß mit Rampen gearbeitet wurde.

Oder die Bundeslade der Juden, ein Heiligtum, das nach der Verwüstung der Stadt und des Tempels im 5. Jahrhundert vor Christus spurlos verschwunden ist. Wahlweise ist sie für Däniken eine Gegensprechanlage, mit der Kontakt zu den Außerirdischen aufgenommen werden konnte, oder ein Energiemeiler mit spaltbarem Material.  – Die Bundeslade bestand aus Akazienholz, das bekanntlich als Isolierung für strahlendes Material denkbar ungeeignet ist.

Und da waren noch die Antennen: In Frankreich, Nordafrika und Südamerika bestaunte Däniken Höhlenzeichnungen, die Wesen in einer Art von Taucheranzügen darstellten. Die Köpfe dieser Wesen waren mit Hörnern bestückt. Archäologen deuteten sie als Tierköpfe, der Schweizer Ufologe identifizierte sie als Raumfahrer-Helme, die Hörner als  Antennen.

Auffallend ist, daß Däniken den Astronauten-Göttern ausgerechnet den gleichen technologischen Entwicklungsstand unterstellt, wie wir ihn 1970 besaßen. Antennen etwa sind heute nach fünfzig Jahren Entwicklung geschrumpft oder wurden integriert. Was ist nun mit den Hörnern?

Es gehört zur Wissenschaftsgläubigkeit, zu meinen, es gebe auf alles oder fast alles schon eine Antwort. Die ungelösten Probleme sind Legion – ob in Quantenphysik, Relativitätstheorie, Kosmologie, Evolutionsbiologie oder Neurowissenschaften. Und gelöste Fragen ziehen wieder ungelöste nach sich.

Im Mittelalter und danach noch führte man bei diesen Kalamitäten Gott ein, den universalen Erklärungsschlüssel, wenn Wissenschaft und Verstand scheinbar am Ende waren. Es war der Deus als refugium ignorantiae. Doch bei wachsender Erkenntnis mußte Gott immer mehr in den Hintergrund weichen, bis er fast verschwand.

Bei Erich von Däniken sind es die Extraterristischen. 1998 gründete er die Forschungsgesellschaft für Archäologie, Astronautik und SETI (A.A.S.), deren Ziel es ist, „einen anerkannten Beweis für ehemalige Besuche von Außerirdischen auf unserer Erde zu erbringen“. Die Forschungsgesellschaft organisiert Tagungen und gibt zweimonatlich die Zeitschrift Sagenhafte Zeiten heraus.

Däniken selbst übrigens schweigt zu alldem. Die Fragen der JUNGEN FREIHEIT wollte er nicht beantworten.

Dennoch: Seine Millionen Leser zeugen von einem großen gesellschaftlichen Bedürfnis nach dieser Art von Science fiction. Däniken trifft also einen wichtigen Nerv in einer aufgeklärten Welt, die zwar im Licht technischer Vernunft strahlt, aber doch nicht alle Fragen des modernen Menschen beantworten kann.

„Der Götterschock ist nur eine Frage der Zeit“

Der deutsche Theologe Linus Hauser hat sich in seiner voluminösen „Kritik der neomythischen Vernunft“ mit diesen Formen von Glaubensersatz auseinandergesetzt. Seine Analyse: „Die geistigen Gewalten des Abendlandes, das Christentum, die klassischen Bildungsstandards sind in eine tiefe Krise geraten. Eine Wissensexplosion bringt die in Einzeldisziplinen zerklüftete Wissenschaftsvernunft hervor. Entsprechend taucht der Gedanke an ein neues Modell ganzheitlicher kognitiver Selbstorientierung auf.“ Dazu zählt Hauser auch Para- oder Pseudowissenschaften. Der Gelehrte: „Denn ihre Hypothesen und Theorien sind entweder nicht überprüfbar oder ermangeln äußerer Widerspruchsfreiheit.“

Dagegen bleibt Däniken unbeirrt: „Der Götterschock ist nur eine Frage der Zeit. Die Außerirdischen werden wiederkommen und unsere selbstgefällige Seele erschüttern.“

Im September und Oktober dieses Jahres hält Erich von Däniken Vorträge unter anderem in Berlin, Schwerin, Rostock, Dresden, Magdeburg, Cottbus, Potsdam, Neuruppin, Weimar Frankfurt/Oder und Düsseldorf. Weitere Informationen im Internet unter www.daniken.com.

Foto: Pyramiden von Gizeh, rechts die größte des Pharao Cheops: Warum hat Däniken so wenig Vertrauen in das Können der Ägypter?

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