© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/10 09. April 2010

Preußens Herzkönigin
Das Schloß Charlottenburg feiert die edelste Frau der deutschen Geschichte
Ekkehard Schultz

In Meyers Konversationslexikon von 1877 wurde sie als „edelste Frau der deutschen Geschichte“ geehrt. Bis heute gilt sie als populärste preußische Königin – die aus dem Mecklenburg-Strelitzer Herrscherhaus stammende Luise. Zu diesem Vermächtnis trug nicht nur ihr Ruf als engelsgleiche Schönheit und modische Vorreiterin ihrer Zeit bei, sondern insbesondere ihre Rolle als Ikone der deutschen Nationalbewegung. 

Zudem bot ihre kurze Lebenszeit von nur 34 Jahren den Ausgangspunkt für eine reichhaltige Legendenproduktion. Es entstand eine regelrechte Erinnerungsindustrie, die stets dem jeweiligen Zeitgeist angepaßt wurde. Doch wer war Luise wirklich, und was hat die Phantasie der Nachwelt ihr angedichtet? Diese zwei Fragen stehen im Mittelpunkt der ersten größeren Luise-Ausstellung, die seit Anythos der Königin“ im Berliner Schloß Charlottenburg besichtigt werden kann.

Unter den zahlreichen Attributen, die der Königin zugeschrieben werden, sticht die Rolle der aktiven politischen Frau besonders heraus. Diese Vorstellung stützt sich vor allem auf zwei Ereignisse: einerseits auf Luises aktiven Part beim ersten Beitritt des zuvor neutralen Preußen zur antifranzösischen Koalition. Die Königin überzeugte ihren Gatten Friedrich Wilhelm III., im November 1805 ein preußisch-russisches Bündnis mit Zar Alexander I. zu schließen.

Noch legendärer wurde ihre direkte Begegnung mit dem ihr verhaßten Napoleon 1807 in Tilsit, bei der Luise den französischen Herrscher vergeblich um mildere Friedensbedingungen bat. Hinzu kommen ihre Bemühungen um die Wiedereinsetzung des grundlegend antinapoleonisch gesinnten Staatsministers Karl Freiherr zum und vom Stein. Insbesondere das Treffen in Tilsit blieb zwar zu Lebzeiten der Königin in der breiten Öffentlichkeit nahezu unbekannt, prägte indes das Luise-Bild späterer Generationen am stärksten.

Doch bereits zu dem Zeitpunkt, als das Königspaar im Dezember 1809 nach Berlin zurückkehren konnte, wurde Luise für ihren „Durchhaltewillen“ in schwerster Zeit verehrt. So widmete ihr Heinrich von Kleist zu ihrem Geburtstag am 10. März 1810 ein Sonett, in dem er sie zur „Hoffnungsträgerin“ in Preußens „Schreckenstagen“ stilisierte.

Als Luise nur wenige Wochen später – im Juli 1810 – an einem vermeintlich „gebrochenen Herzen“ über die Demütigungen durch Napoleon starb, war dies erst recht ein Anlaß, sich ihrer Person im Kampf gegen die französische Fremdherrschaft zu bedienen. So war es kein Zufall, daß König Friedrich Wilhelm III., der sich nach langem Drängen seiner Offiziere und Steins schließlich dazu entschlossen hatte, sich erneut der antinapoleonischen Koalition anzuschließen, den dritten Todestag seiner Frau dazu nutzte, einen Orden für militärische Tapferkeit zu stiften, der unabhängig vom Stand und Rang des Betreffenden verliehen werden konnte – das Eiserne Kreuz.

Insbesondere bei den Kriegsfreiwilligen wie den legendären Lützower Jägern erfreuten sich kleine Bildnisse und Medaillons der verstorbenen Königin größter Beliebtheit, die sie während der Schlachten bei sich trugen. Die nunmehrigen militärischen Erfolge trugen erst recht dazu bei, Luise als „deutschen Schutzgeist“ erscheinen zu lassen. In kaum abgeschwächter Form hatte dieses Bild bis in das frühe zwanzigste Jahrhundert hinein Bestand.  

Ergänzt wird diese politisch-militärische Würdigung durch Luises Rolle als treusorgender Mutter und Ehefrau. Tatsächlich hatte die Königin nicht nur zu ihren insgesamt sieben Kindern, sondern auch zu ihrem als spröde und unzugänglich geltenden Mann ein sehr inniges Verhältnis. Deswegen wurde sie später gerade in konservativen Frauenvereinen besonders verehrt. In einem gewissen Widerspruch zu diesem familiären Pflichtbewußtsein stand freilich, daß Luise eine sehr lebenslustige Königin war, eine Liebhaberin großer Feste und Bälle, nur selten vor der Mittagszeit aufstand und durchaus zur Verschwendung neigte. 

Beim Bürgertum machte Luise sich hingegen dadurch sehr beliebt, daß sie sich über klassische Konventionen am Hofe hinwegsetzte. So bot sie Friedrich Wilhelm III. schon kurz nach der Hochzeit das „Du“ an. Bürgerlich waren auch ihre kulinarischen Vorlieben: Stettiner Bier, roher Schinken und Kartoffeln.

Es ist wohl die Verbindung all dieser unterschiedlicher Facetten, die dafür gesorgt hat, daß im Gegensatz zu den meisten anderen preußischen Herrscherpaaren das Interesse an Luise auch nach den gesellschaftlichen Brüchen seit 1945 erhalten blieb. Zwar stellt Luise inzwischen längst keine „nationale Ikone“ mehr dar, Sie bleibt jedoch als kollektive Erinnerungsfigur erhalten – auch nachdem die politisch-militärischen Zuschreibungen rapide an Bedeutung verloren haben.   

Die Ausstellung „Luise. Leben und Mythos der Königin“ ist bis zum 30. Mai im Berliner Schloß Charlottenburg, Neuer Flügel, Spandauer Damm 10, täglich außer donnerstags von 10 bis 18 Uhr,  Di. bis 21 Uhr, zu sehen.

Zu diesen Zeiten kann auch die rekonstruierte Wohnung Königin Luises am gleichen Ort besichtigt werden, ebenso das gerade sanierte Mausoleum im Schloßgarten, jedoch nur bis 18 Uhr.

Der Ausstellungsführer mit 130 Seiten kostet 9,95 Euro.

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