© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/10 09. April 2010

Glenn Beck. Der US-Radiomoderator avanciert zum Anwalt der „Tea Party“-Bewegung
Die Stimme der Wut
Martin Lichtmesz

Politik und Show-Business sind in den mediensüchtigen USA nicht voneinander zu trennen. Ob der 1964 im US-Staat Washington geborene, konservative Radio- und Talkshow-Moderator Glenn Beck ( www.glennbeck.com ) Politiker oder Entertainer ist, wissen wohl selbst viele seiner Anhänger nicht so genau. Die jedenfalls werden immer mehr: Neben Rush Limbaugh (JF 16/09) und Sean Hannity zählt der durch seine Shows zum Multimillionär gewordene Beck inzwischen zu den Superstars unter den patriotischen Rundfunk-Kommentatoren der USA. Zudem wird seine TV-Sendung auf Fox News von über drei Millionen Amerikanern täglich gesehen. Und nun avanciert der rechte Rächer gar zur medialen Stimme der „Tea Party“-Bewegung, jenes wachsenden, diffusen, konservativen Anti-Establishment-Bürgerprotests, der derzeit die politische Landschaft der USA gründlich aufmischt (JF 9/10).

Beck selbst bezeichnet sich ironisch als „Rodeo-Clown“, läßt aber sonst an seinem Pathos keinen Zweifel: „Ich liebe Amerika“, bekennt er, „und ich habe Angst darum!“ Wobei er sich gut sichtbar Tränen aus dem Gesicht wischt. Die für deutsche Verhältnisse schamlose Zurschaustellung von Emotionen gehört in den USA allerdings nicht nur zu seinen Markenzeichen. Der ehemalige Katholik und heutige Mormone präsentiert sich gern als der ehrliche, offenherzige Kerl, „der Fragen stellt“, eine Neuausgabe des TV-Moderators aus Sidney Lumets entlarvendem Filmklassiker „Network“ von 1976, der eines Tages die Nation auffordert, ihrem Frust Luft zu machen: „Ich bin stinksauer, und ich lasse mir das nicht mehr gefallen!“

Beck will sich vor allem die Regierung Obama nicht mehr gefallen lassen, insbesondere deren Gesundheitsreformprogramm. Dieses pflegt er in apokalyptischen Farben zu malen, als stünde der chinesische Gulag-Staat vor der Tür. Die „libertäre“ Verteuflung des Obama-„Sozialismus“ geht Hand in Hand mit dem klassischen amerikanischen Affekt gegen die Übermacht des Staats. Und das verfängt bei den Protestlern aus der „Tea Party“-Bewegung – obgleich die sich ironischerweise vor allem aus Unterschicht- und Mittelklasse-Weißen rekrutiert, die durchaus von „Obamacare“ profitieren würden.

Hier spielt wohl die Erkenntnis eine Rolle, daß angesichts steigender nicht-weißer Geburtenraten in den kommenden Jahren die „Enteignung“ des „weißen Amerika“ durch multikulturalistische Ideologen bevorsteht. Derartige Ängste, die Beck als einer der wenigen unter den etablierten Kommentatoren zwischen den Zeilen anzusprechen versteht, werden von den Gegnern der „Tea Party“ gern als „rassistisch“ gebrandmarkt. So bezeichnete er Obama als „Rassisten“ mit einem kaschierten „tiefsitzenden Haß auf die Weißen und die weiße Kultur“. Beck spielt die Rolle eines Katalysators in einem wachsenden Konflikt, von dem sich wohl erst künftig zeigen wird, ob seine Frontlinie zwischen Klasse, Kasse oder Rasse verläuft.

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