© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/10 09. April 2010
Jenseits der Hochglanz-Welt Frau Frieling-Huchzermeyer, die Zeitschriftenmärkte schwächeln, Auflagen schwinden, Redaktionen werden geschlossen. Ihr Magazin Landlust dagegen eilt von Auflagenrekord zu Auflagenrekord. Was ist Ihr Geheimnis? Frieling-Huchzermeyer: Landlust ist ein Gegenentwurf auf dem Zeitschriftenmarkt. Wir haben eine neue Themenwelt für Leser aufgetan. Es ist also die Themenauswahl und wie wir an die Themen herangehen: Landlust berichtet fundiert und authentisch und pflegt zudem eine großzügige, ruhige Bildsprache etwas, was viele Menschen heute zu schätzen wissen. Die Branche ist sich einig, es ist das Fluidium des wertkonservativen Landlebens, das den überraschenden Erfolg von Landlust ausmacht. Frieling-Huchzermeyer: Die Frage ist, was ist damit gemeint? Ich glaube nicht, daß der Erfolg unserer Zeitschrift darin gründet, daß es eine neue Sehnsucht nach dem Lande gibt. Diese Sehnsucht kann ich nicht erkennen. Ist Ihr Erfolg Ergebnis des Trends zur neuen Bürgerlichkeit, von dem seit einigen Jahren gern geredet wird? Frieling-Huchzermeyer: Wenn das zutrifft, dann haben wir nicht bewußt darauf gesetzt. Wir haben einfach erkannt, daß es Leserbedürfnisse gibt, die nicht bedient werden, und haben uns darangemacht, dafür ein hochwertiges Produkt herzustellen. Auch die Feuilletons sehen als Grund für Ihren rapiden Leserzuwachs von beinahe unheimlichem Ausmaß (Branchendienst DWDL), daß Sie auf alles verzichten, was eigentlich als angesagt gilt, und eine Welt zeigen ohne Großstädte, Multikulturalismus, Neue Medien, Sex, Gewalt und Klimawandel. Ist Ihr Heft Ausdruck eines neuen Konservatismus? Frieling-Huchzermeyer: Die Dinge liegen einfach auf der Hand: Unser Leben wird immer schneller, komplexer und verlangt jedem von uns immer mehr ab. Das Tempo erhöht sich, und da brauchen die Menschen etwas, um zu sich zu finden. Der eine reist dafür in ferne Länder, der andere schafft sich zwischendurch zu Hause seine Insel das ist zum Beispiel der Landlust-Leser. Sie selbst haben Ihre Leserschaft als wertkonservativ bezeichnet. Was meinen Sie damit? Frieling-Huchzermeyer: Unsere Leser sind bewußte, kritische Menschen mit Sinn für die Natur und die Schonung der Grundlagen des Lebens. Es geht ihnen nicht um schnellen Konsum, sondern um Nachhaltigkeit, wirklichen Genuß und Qualität. Das spiegelt sich natürlich im Profil von Landlust wider: Wir liefern gute, wahre und anspruchsvolle Geschichten. Die Orte und die Dinge, über die wir berichten, sind authentisch. Wir suchen alles sehr sorgfältig aus, und wenn Leser diese Orte oder Dinge in Augenschein nehmen, finden sie alles so vor, wie wir es beschrieben haben. Der Stern nennt als Ursache für Ihren Erfolg die wachsende Sehnsucht nach dem Ursprünglichen und Unberührten. Frieling-Huchzermeyer: Das mag zutreffen, aber dieses Bedürfnis hat es schon immer gegeben. Der Hang zur Natur ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Das sehen Sie doch schon daran, wie sehr bei vielen von uns die Stimmung davon abhängt, ob es regnet oder ob die Sonne scheint. Und da macht der moderne, urbane Mensch keinen Unterschied. Viele Menschen sind vordergründig der Natur entwöhnt. Hier wollen wir aufmerksam machen auf mögliche Momente des Glücks. Angeblich benutzen Sie in Ihrem Büro keinen Computer, und für Ihr Editorial lassen Sie sich in freier Natur, etwa am Seeufer vor einem knorrigen Baum, fotografieren. Frieling-Huchzermeyer: Auch das gehört zu unserem Profil, ein Foto am Schreibtisch werden Sie von mir da nicht finden. Und was den Verzicht auf einen Computer angeht ich bin zugegebenerweise nicht besonders computeraffin. Muß ich glücklicherweise auch nicht, denn mein Job findet im Kopf und nicht im Netz statt. Es galt der Branche Ende 2009 als Sensation, als der Shootingstar Landlust mehr Exemplare verkaufte als Focus. Was sagt es aus, daß Ihr alltagsabgewandtes Heft inzwischen mehr Leser findet als ein großes Nachrichtenmagazin, das sich gezielt mitten in der Lebensrealität zu positionieren versucht? Frieling-Huchzermeyer: Ich finde diese Entwicklung gar nicht so überraschend, denn wie gesagt, gerade unsere Lebensrealität führt dazu, daß wir einen Ausgleich brauchen. Es ist ein Irrtum anzunehmen, Landlust sei eine Zeitschrift für Leute, die unserer Gesellschaft gegenüber abgewandt leben. Im Gegenteil, wie zum Beispiel den Spiegel, Focus oder die FAZ lesen auch uns jene, die mitten im Leben stehen. Aber wir dienen den Menschen zu einem anderen Zweck. Durch uns nehmen sie nicht teil an dem, was sowieso schon ihr Alltag ist, sondern finden ein Gegengewicht dazu. Insofern ist unser Erfolg für mich durchaus folgerichtig. Würde Landlust denn auch mit einem städtischen Hintergrund funktionieren? Frieling-Huchzermeyer: Das kann ich nicht sagen, ich würde das aber nicht ausschließen. Land in Landlust heißt nicht, daß alles tatsächlich auf dem Land stattfinden muß. Land steht vielmehr für eine natürliche, ursprüngliche Lebenswelt. Obgleich ich betonen möchte, daß alle unsere Geschichten authentisch sind, heißt das nicht, daß wir eins zu eins das Leben auf dem Lande darstellen. Land ist eine Chiffre für ein Lebensgefühl. Dieses können Sie im Grunde auch in der Stadt finden, denn auch dort gibt es solche Oasen, die unserer Seele Ruhe verschaffen. Also ist Landlust ganz entgegen dem Anschein keine Antithese zum modernen Leben? Frieling-Huchzermeyer: Richtig, sie ist wohl vielmehr Teil dessen, weil sie uns einen Ausgleich verschafft, der dazu dient, im modernen Alltag zu bestehen. Der Schwerpunkt in der Altersstruktur unserer Leserschaft liegt bei den 35- bis 60jährigen. Also ebenjenen, die voll im Berufsleben stehen und solchen Ausgleichs am meisten bedürfen. Modern leben, konservativ träumen steckt darin nicht eine gewisse Verlogenheit? Frieling-Huchzermeyer: Nein, ich wäre da etwas gnädiger als Sie. Keiner von uns kann sich, ohne auch mal abzutauchen und Kraft zu schöpfen, ununterbrochen dem modernen Alltag stellen. Jeder hat ein Recht darauf, auch mal abzuschalten und sich mit schönen Dingen zu beschäftigen. Drückt sich die wertkonservative Orientierung Ihrer Leser denn auch politisch aus? Frieling-Huchzermeyer: Tendenziell sind unsere Leser in der Tat auch eher politisch konservativ, allerdings bei weitem nicht nur. Da gibt es ebenso die naturverbundene Emanze, den grünen Öko-Freak oder den arrivierten Ex-Achtundsechziger mit Sinn und Geld für den bewußten Lebensstil auf gehobenem Niveau. Insgesamt ist unsere Leserschaft wohl eine Mischung, und nur so ist der breite Erfolg von Landlust zu erklären: Es gelingt uns, auf der Grundlage, die wir bedienen, Leser unterschiedlicher politischer Auffassungen zusammenzubringen. Könnte sich Landlust denn überhaupt eine stärkere konservative politische Akzentuierung erlauben? Frieling-Huchzermeyer: In meinem Vorwort greife ich hin und wieder auch mal ein kontroverses Thema auf, aber wirkliche politische Stellungnahmen würden nicht zu unserem Profil passen. Ich würde Landlust aber dennoch nicht als gänzlich unpolitisch betrachten. Natürlich enthalten unsere Geschichten schon eine Botschaft, denn die Wertschätzung für die Dinge, die wir behandeln, ist immer auch eine Stellungnahme für diese Dinge. Und natürlich gibt es dadurch einen Appell an unsere Leser, sich nicht abhängig zu machen, sondern die eigene Nische zu suchen: das kleine Glück in der Wertigkeit des Bestehenden, abseits der Hochglanz-Versprechen zu finden. Es geht auch mit weniger, und jeder ist seines Glückes Schmied. Inzwischen haben etliche Verlage reagiert darunter Burda und die WAZ-Gruppe und Landlust-Äquivalente wie Landleben, Land Idee oder Liebes Land, auf den Markt gebracht. Keiner der Titel reicht jedoch bislang an den Erfolg Ihrer Zeitschrift heran. Warum? Frieling-Huchzermeyer: Dazu könnte ich etwas sagen, aber das möchte ich nicht. Ansonsten empfehle ich, die Frage den Lesern zu stellen. Die entscheiden am Kiosk darüber, was überzeugend ist und was nicht. Ihre Auflage steigt und steigt. Wie hoch ist das Potential an Lesern, die für Ihre wertkonservative Botschaft empfänglich sind? Frieling-Huchzermeyer: Fragen Sie mich jetzt bitte nicht nach einer konkreten Zahl, aber tatsächlich gibt es viele Leser, die uns noch nicht kennen und die wir noch erreichen können. Ob das Wachstum in diesem Tempo weitergeht, weiß ich nicht, aber daß der Markt für die Art von Philosophie, für die Landlust steht, noch nicht erschöpft ist, das glaube ich schon. Sie selbst sind auf dem Land geboren und leben dort heute auch. Hand aufs Herz, wie authentisch ist die Darstellung des Landlebens in Landlust wirklich? Frieling-Huchzermeyer: Der Untertitel unserer Zeitschrift heißt nun mal Die schönsten Seiten des Landlebens. Aber Sie haben recht, ich wohne in der Tat auf dem Land und kenne das wahre Landleben auch durch meine frühere Tätigkeit als Redakteurin der Fachzeitschrift Top Agrar. Deshalb kann ich es wirklich beurteilen und ich sage Ihnen: Man kann dort alles finden, um wieder Mensch zu werden!
Ute Frieling-Huchzermeyer In freier Natur statt am Schreibtisch läßt sich die Chefredakteurin des deutschen Zeitschriftenwunders Landlust ablichten. Die gelernte Agrar-Journalistin wurde 1958 als Landwirtstochter bei Osnabrück geboren. Medienphänomen Landlust: Die schönsten Seiten des Landlebens, lautet das Motto des Überraschungserfolgs (Welt) und Kultblattes (Neue Zürcher Zeitung) Landlust. Seit seiner Gründung 2005 mit rund 100.000 Exemplaren feiert das Phänomen am Zeitschriftenmarkt (Branchenblatt W&V) einen kometenhaften Erfolg (Zeit) und rast mit hunderttausender (Auflage-)Sprüngen in die Höhe (Spiegel). 2009 kürte die Branche Landlust zur Besten neuen Marke, und die Zeitschriftenleser machten es zum Gewinner des IV. Quartals mit einem sensationellen Plus von 45,3 Prozent (Branchendienst DWDL). Der sonst auf Agrar-Fachzeitschriften spezialisierte Landwirtschaftsverlag Münster verkaufte zuletzt 648.866 Exemplare und ließ damit sogar Focus hinter sich. Kontakt und Informationen: Landwirtschaftsverlag Münster, Redaktion Landlust, Postfach 7846, 48042 Münster, Telefon: 0 25 01 / 80 16 112, Internet: www.landlust.de
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