© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/10 09. April 2010

Krieg in Afghanistan
Rückzug ist keine Schande
Dieter Stein

Ihr Tod darf nicht vergebens sein! Wir geben nicht klein bei. Wir werden weiterkämpfen, und wir werden gewinnen.“ Die von Brigadegeneral Frank Leidenberger, Nord-afghanistan-Kommandeur der Bundeswehr, vor Soldaten im Feldlager Kundus am Ostersonntag bei der Trauerfeier für drei im Gefecht gefallene Kameraden gesprochenen Worte klingen hilflos und wie schon oft gehört.

Tatsächlich sind die von in Kriegsfragen wenig geprüften Berliner Politikern in den Kampf nach Afghanistan entsandten deutschen Soldaten nicht die ersten, die erleben werden, daß die wilden Bergvölker am Hindukusch nicht „in den Griff“ zu kriegen sind. „Nation-building“ und „Implementierung“ von „demokratischen Strukturen“ scheitert in dieser stolzen Stammesgesellschaft. In Afghanistan ist eine rücksichtslos vorgehende sowjetische Rote Armee in einem zehn Jahre währenden zermürbenden Krieg gegen tapfer kämpfende – und vom Westen unterstützte – Guerillakämpfer gescheitert. 15.000 sowjetische Soldaten verbluteten in dem sinnlosen Krieg am Hindukusch, auf afghanischer Seite gab es über eine Million Tote.

Unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung setzten zehn Jahre nach dem sowjetischen Debakel Soldaten eines unter US-amerikanischer Führung stehenden Militärbündnisses ihren Fuß auf den blutbetauten afghanischen Boden. Den Begriff „Krieg“ aus juristischen und psychologischen Gründen ängstlich meidend, verstrickt sich Deutschland mit inzwischen über 4.000 Soldaten an der Seite der Verbündeten immer tiefer in dieses Abenteuer.

Unsere Soldaten müssen für zweifelhafte Ziele und eine nicht weniger zweifelhafte afghanische Regierung ihr Leben einsetzen, deren Präsident Karzai erst in den letzten Tagen in bezug auf die ausländischen Soldaten von „Eindringlingen“ gesprochen hat. Karzai nimmt aber damit nur wachsam die Stimmung in weiten Teilen der afghanischen Bevölkerung auf, die die Isaf-Truppen einschließlich ihres Lebensstils als buchstäbliche Fremdkörper und für ein stolzes Land als demütigend empfinden. Seine Rücksichtnahme gegenüber den Stammesführern spricht auch für Realitätssinn angesichts einer sichtlich scheiternden Strategie des westlichen Bündnisses. Er arrangiert sich mit jenen, die im Land wirklich die Macht haben und künftig über das Überleben seines Klans entscheiden werden.

Das kann unsere Sorge nicht sein. Unsere Soldaten stehen, schwach ausgerüstet und aufgrund realitätsferner juristischer und politischer Vorgaben nur eingeschränkt handlungsfähig, als lebende Zielscheiben in einem aussichtlosen asymmetrisch geführten Partisanenkrieg. Ihr Leben wird von einer politischen Führung aufs Spiel gesetzt, deren Angehörigen militärischer Dienst ein Fremdwort ist. Sie opfern sich für ein Vaterland, dessen mediale Öffentlichkeit die Armee und ihren Dienst mehrheitlich verachtet und die das Schicksal der Soldaten kalt läßt.

Rückzug und Aufgabe ist im Fall des Afghanistan-Einsatzes keine Schande. Es ist das Gebot politischer und militärischer Vernunft.

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