© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/10 02. April 2010

„Der Pfad des Kriegers“: Eine Passionsgeschichte vom Tiroler Buab zum Guerillero
Auf der Suche nach einem radikalen Gott
Silke Lührmann

Fünfzehn Jahre nach Che Guevaras gescheitertem Versuch, die bolivianische Landbevölkerung zum Aufstand gegen Verhältnisse aufzuwiegeln, die ihm und seinen Genossen unerträglich erschienen, bricht in den frühen Achtzigern ein Jüngling aus dem fernen Südtirol auf, um den Andenstaat vom kapitalistischen Joch zu befreien. Er aber wähnt Gott auf seiner Seite: Michael Nothdurfters Passionsgeschichte, der Arte im Rahmen eines Themenabends über „Märtyrer“ nachspürt, führt ihn von der Katholischen Jugend in Bozen ans Jesuitenkolleg in La Paz bis zum Tod als gesuchter Terrorist im Kugelhagel der Polizei.

Ehemalige Kampfgefährten – geläutert, aber ungebrochen – und der spätere Innenminister der Morales-Regierung Rafael Puente kommen ebenso zu Wort wie ein Bruder und die fassungslose Mutter daheim im schmucken Fachwerkhaus mit dem gekreuzigten Heiland in der guten Stube. Ihr Sohn „ist mit unserer Lebensweise nimmer zurechtgekommen“, konstatiert sie, während auf der anderen Erdhalbkugel zwei Frauen seinen Schrein pflegen und sich voller Wehmut erinnern, wie unbeholfen und verklemmt ihr seliger Miguel mitunter sein konnte.

Der höhere Zweck, dem dieser heilige Krieger am 5. Dezember 1990 sein irdisches Leben opferte – die Entführung des Coca-Cola-Potentaten Jorge Lonsdale –, ging von Anfang an gründlich in die Hose. „Der Familie haben wir damit eigentlich einen Gefallen getan“, erzählt eine Überlebende – die seien auf das Erbe erpicht und keineswegs gewillt gewesen, den Kidnappern ein Lösegeld zu zahlen. Nach monatelanger Agonie verriet ein Mitwisser unter Folter das Versteck. Daß Andreas Pichlers Film spannend, obwohl sein Ausgang von vornherein bekannt ist, liegt auch an Michael Nothdurfters Briefen an die Mutter – anrührende Dokumente einer verirrten Seele auf der Suche nach ihrem Gott, der „radikal und politisch ist“.

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