© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/10 02. April 2010

Meldungen

Abschied vom Meister: Doktoren à la Bologna

BERLIN. Erstmals schüttet die EU in diesem Jahr Geld für „strukturierte Promotionsprogramme“ aus. Damit ist der gute alte „Doktorvater“ auf den Aussterbeetat gesetzt. Aus Brüsseler Sicht ist diese deutsche akademische Institution einfach hoffnungslos antiquiert, weil „ineffizient“. Bei der deutschen Fabrikation vornehmlich geisteswissenschaftlicher Dissertationen werde zuviel Zeit verloren, die Doktoranden könnten sich allzu frei entfalten. In der EU-Bildungsbürokratie will man herausgefunden haben, daß die meisten Nachwuchsforscher von anderem träumen: von klaren Themenvorgaben, Zeitplänen und intensivster Betreuung – ganz im Sinne des „Bologna-Prozesses“, der zu einer einheitlichen Doktorandenausbildung in Europa führen soll. Dort sollte eine „strukturierte Promotion“ bis 2015 lückenlos „Standard“ sein. Daher haben sich viele deutsche Hochschulen in den letzten Jahren bereits „Graduiertenakademien“ zugelegt, die die Verfahren exekutieren. Obwohl der hergebrachten deutschen „Vielfalt der akademischen Qualifizierungswege“ 2008 in einem Bundesbericht noch internationale Wettbewerbsfähigkeit attestiert wurde, läutet „Bologna“ damit das „Ende der langen Ära des in Deutschland fest verankerten Meister-Schüler-Verhältnisses“ ein. (Deutsche Universität Zeitung, 3/2010).

 

Tannenberg – Grunwald: Abschied vom Mythos

WINSEN/ALLER. Man darf gespannt sein, ob unsere polnischen Nachbarn am kommenden 15. Juli noch einmal ein großes Faß aufmachen werden. Dann jährt sich nämlich zum 600. Mal der Jubeltag von Grunwald/Tannenberg. In dieser spätmittelalterlichen Schlacht schlug 1410 ein polnisch-litauisches Heer die Ritter des Deutschen Ordens und leitete damit das Ende dieses eigenartigen geistlichen Herrschaftsgebildes ein, dessen Reste als weltliches Herzogtum das Fundament Preußens bildeten. Um das eigentliche Gemetzel von 1410 kümmern sich heute nur noch Mediävisten. Um so publikumswirksamer war der jeweilige Gebrauch, den die deutsche wie die polnische Nationalmythologie vom Tannenberger Schlachtfeld als „Gedächntnisort“ seit Beginn des 19. Jahrhunderts machte. Daran erinnert Ulrich Müller Beitrag „Geschichte des Deutschen Ordens und seiner Niederlage in der Schlacht von Tannenberg“ in den Blättern der Deutschen Gildenschaft (1/10). Mit Blick auf die „mehreren 10.000 polnischen Teilnehmer“, die sich am 15. Juli 1990 in Tannenberg versammelten, um chauvinistische Stimmung für die völkerrechtliche Anerkennung der polnischen Annexion Ostdeutschlands zu machen, wagt Müller die Prognose, daß sich dies 2010 wohl nicht wiederholen werde, da heute niemand mehr einen Mythos benötige, der „Feindschaft und Abgrenzung“ wachhalte.

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