© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/10 02. April 2010

Frisch gepresst

Kohl ganz nah. Sie kennen sich seit vierzig Jahren, er durfte in den Weinkeller, mit auf Waldspaziergang und in den Dienstwagen. Er war sogar bei der schicksalhaften Strickjacken-Verhandlung mit Gorbatschow in dessen Kaukasus-Datsche dabei und wurde von Theo Waigel als sein „State Secretary“ sogar an der sowjetischen Postenkette für die Journalisten vorbeigelotst. Mainhardt Graf von Nayhauß’ Kontakt zu den Mächtigen war eng, wie er in seiner ganz persönlichen Biographie über Helmut Kohl auch gern durchblicken läßt. Als langjähriger Kolumnist der Bild-Zeitung hat er „meine Jahre mit dem Kanzler der Einheit“ – wie er sein Werk untertitelt – großformatig und reich bebildert anhand prägnanter Stationen des ewigen Kanzlers von seiner Zeit als Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz bis zur unrühmlichen Niederlegung des CDU-Ehrenvorsitzes 2000 aufbereitet. So kann Nayhauß durch die Nähe zu Kohl die Kenntnis über den Privat-, Partei- und Staatsmann anhand mancher Anekdote hilfreich ergänzen. Allerdings offenbart diese enge Fühlung auch, daß es die während des Irak-Kriegs von den Amerikanern praktizierte Form des „eingebetteten Journalisten“ anscheinend schon vorher in Bonn gegeben hat, worauf nicht nur Bilder von Nayhauß mit den engsten Kanzlerberatern Eduard Ackermann oder „Pepe“ Boehnisch schließen lassen könnten (Helmut Lingen Verlag, Köln 2010, gebunden, 160 Seiten, Abbildungen, 14,95 Euro).

Kommunismus. Nach zwei mächtigen „Schwarzbüchern“ nun noch ein dickes „Handbuch“: Stéphane Courtois ist auf dem besten Weg, sich sein eigenes Denkmal zu setzen. Seine in den auflagenstarken „Schwarzbüchern“ niedergelegte Schreckensbilanz des marxistisch-leninistischen „Menschheitsexperiments“ dürfte viele auch nach 1990 noch „Gläubige“ geheilt haben. Nun lädt der französische Analytiker des Weltkommunismus mit seinem „Handbuch des Kommunismus“ (Geschichte–Ideen–Köpfe, Piper Verlag, München 2010, gebunden, 846 Seiten, Abbildungen, 49,95 Euro) noch einmal zu einer lexikalisch strukturierten Reise in diese Finsternis ein. Klaus Schröder und Jochen Staadt vom Forschungsverbund SED-Staat an der Freien Universität Berlin steuern fünfzig Seiten über den Kommunismus in Deutschland seit 1918 bei und machen den Leser auch mit den derzeit aktiven „Wiederbetätigern“ im linken bis linksradikalen Spektrum der Bundesrepublik vertraut. Das Glossar, das Zentrum des Bandes, spannt den Bogen von Antikapitalismus über Prager Frühling und Rote Khmer bis zu Utopie und Volksdemokratie. Die Religionsstifter Marx und Engels werden etwas knapp berücksichtigt im Vergleich mit den Massenmördern Lenin, Mao und Stalin, denen allein hier unvorstellbare 100 Millionen Opfer à conto geschrieben werden.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen