© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/10 02. April 2010

Das Geschäft der Propaganda
Stefan Hug analysiert die Rolle Hollywoods bei der Aufbereitung US-amerikanischer Interessen in Frieden, Krise und Krieg
Alexander Lechler

Filme können die Wirklichkeit wie kein anderes Medium nachbilden, aber eben auch verfälschen, ohne daß es der Zuschauer bewußt wahrnimmt“: Diese These, entnommen aus dem Vorwort, ist sicherlich nicht neu. Neu ist allerdings, daß der Autor stichhaltig nachweist, wie und warum dies in Hollywood praktiziert wird.

Stefan Hug studierte Volkskunde und Politikwissenschaft in Kiel und Tübingen. Publizistisch war er bereits für die Frankfurter Rundschau, taz, Stuttgarter Nachrichten, Rhein-Neckar-Zeitung und die JUNGE FREIHEIT tätig. Chronologisch widmet er sich der Filmgeschichte Hollywoods, insbesondere der Frage, wie ein Volk auf Krieg einzustimmen ist. Untersucht werden nicht nur richtungsweisende Filme, sondern auch Stücke zur Verklärung oder gar Klitterung der amerikanischen Vergangenheit.

Zwar steht in den USA der kommerzielle Erfolg im Vordergrund, aufgrund der engen Verflechtungen zwischen Politik und milliardenschweren Mischkonzernen liegt es jedoch auf der Hand, daß Hollywood Stimmungen im Sinne der US-Regierungen erzeugt. Dies gelang zum Beispiel vor den Weltkriegen, wo Deutschland als Feindbild aufgebaut wurde („The Battle Cry of Peace“, 1915, „Confessions of a Nazi Spy“, 1939). Beide Filme wurden weit vor dem Kriegs­eintritt der USA oder der deutschen Kriegserklärung an die USA gedreht. Deutsche werden als Militaristen und brutale Unmenschen dargestellt, was tatsächlich den Stimmungswechsel in der US-Bevölkerung beeinflußte.

Daß die amerikanische Filmindustrie die Meinung nicht absolut beeinflussen kann, wird sehr anschaulich in den beiden Vietnam-Kapiteln dargestellt. Nachdem der Versuch einer positiven Darstellung gescheitert war, wurden zumindest während des Krieges keine weiteren Versuche mehr unternommen. Die Filmindustrie sah, daß die Bevölkerung den Krieg nicht (mehr) wollte, und nahm aufgrund des finanziellen Risikos Abstand davon, weitere Filme zu drehen. Der Autor sieht sogar einen Zusammenhang zwischen der amerikanischen Niederlage und der ausbleibenden Propaganda.

Wenngleich diese These etwas gewagt sein mag, so hat es Hollywood in den achtziger Jahren dennoch verstanden, den Vietnamkrieg in einem positiveren Licht darzustellen („Rambo“). Das war einerseits für die amerikanische Identität von größter Wichtigkeit, zum anderen spielte der anhaltende Ost-West-Konflikt eine wichtige Rolle. Allerdings bleibt anzumerken, daß es gerade zum Thema Vietnam auch kritischere Produktionen wie „Platoon“ (1986) oder „The Casualties of War“ (1989) gibt.

Aber nicht nur Kriegsfilme sind von entscheidender Bedeutung, wenngleich hier die ideologischen Mittel am offensichtlichsten sind. Besondere Konjunktur hatten diese Filme dann seit Ende der neunziger wieder bekommen „Saving Private Ryan“ (1998), „U-571“ (2000), „The Patriot“ (2000), „Black Hawk Down“ (2001), „Pearl Harbor“ (2001), „Behind Enemy Lines“ (2001), „Windtalkers“ (2002) und „We Were Soldiers“ (2002). Aber auch das identitätsstiftende Element spielt eine entscheidende Rolle. So retten in „Independence Day“ (1996) ein Jude und ein Schwarzer die Welt. Die US-Filmindustrie hat maßgeblich zum amerikanischen Nationalbewußtsein beigetragen, es wurde ein Konsens geschaffen. Dieses positive Bild der USA wirkt sich auch auf wirtschaftlicher Ebene, vor allem in der US-amerikanischen Einflußsphäre aus. „The American dream“ wird als Realität dargestellt, die auch außerhalb der Grenzen der USA auf Begeisterung stößt. Dies geht, zumindest zum Teil, einher mit dem Kauf amerikanischer Produkte.

Während einerseits der amerikanische Traum vermarktet wird, werden andererseits Menschenrechtsverletzungen in anderen Ländern aufgezeigt. Gerade in Deutschland haben Hollywood-Produktionen zu einem maßgeblichen Teil die Aufgabe der „re-education“ übernommen, so Hug. Deutschland und die Nazis werden als ewiger Feind dargestellt. Daß „Valkyrie“ (2008) eine Ausnahme darstellte, wurde bereits ein Jahr später wieder klar, als „Inglourious Basterds“ in den deutschen Kinos lief.

Hug analysiert die Geschichte Hollywoods sehr klar und verständlich. Er stellt die politischen Verstrickungen überzeugend dar. Auf die Frage, warum die europäische Filmindustrie nicht zu derartigen Produktionen in der Lage ist, verweist er auf zwei verlorene Weltkriege. Dabei wäre eigentlich genug Filmstoff vorhanden. Dies macht Hug mit seinem Aufruf an deutsche Produktionsfirmen auch sehr deutlich. Nicht das Zelebrieren des Untergangs, sondern das Setzen eines Neubeginns ist zukunftsweisend. So fordert er, Mauerfall und Wiedervereinigung verstärkt in Szene zu setzen. Die Deutschen müssen ihre eigene Geschichte filmisch erzählen. Ansätze sind mit „Dresden“ (2005) und „Die Gustloff“ (2008) bereits vorhanden, unterliegen aber noch zu stark einer Darstellung unter Maßgaben der Political Correctness.

Mittlerweile hat sich rund um das Buch eine Kontroverse entwickelt. Der Publizist Martin Lichtmesz geht mit Hug nicht konform – vielmehr vertritt er den Standpunkt, daß vor allem nach dem 11. September 2001 die überwiegende Zahl der amerikanischen Streifen sich durchaus kritisch bis ablehnend mit dem „Krieg gegen den Terror“ auseinandersetzten. Die Existenz solcher Filme ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen, allerdings hält Hug an seiner These fest, daß patriotische und kriegsverherrlichende Streifen noch immer dominieren.

Stefan Hug: Hollywood greift an! Kriegsfilme machen Politik. Ares Verlag, Graz 2009, gebunden, 184 Seiten, Abbildungen, 19,90 Euro

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