© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/10 02. April 2010

Gottes Segen und ewiges Heil
Frohe Botschaft: Seit 1541 halten die Sorben am Brauch des Osterreitens fest
Paul Leonhard

Seit mehr als tausend Jahren lebt das slawische Volk der Sorben in der Lausitz zwischen Bautzen und Kamenz in Sachsen sowie Cottbus in Brandenburg. Seit dieser Zeit dürfte das bodenstämmige Bauernvolk, das heute noch rund 60.000 Menschen zählt, auch einen Brauch zelebrieren, bei dem die Männer zum Frühlingsbeginn einen magischen Zauberkreis um ihre Felder beschritten. So hofften sie die bösen Geister des Winters zu vertreiben und baten gleichzeitig um eine gute Ernte.

Diese Sitte wurde auch beibehalten, als die Slawen christianisiert wurden. Aus dem heidnischen Umritt der Felder wurde eine Prozession zur Verkündung der Auferstehung Jesu Christi. Vorchristliche und christliche Bräuche vermischten sich. Auch heute noch reiten in einigen Orten die Männer frühmorgens um die Felder, ehe sie sich zum christlichen Osterritt beim Pfarrer einstellen. Dabei bitten sie um Gottes Segen für Feld, Wald und Flur. An diesem Ostersonntag werden sich mehr als 1.500 Reiter an den traditionellen Prozessionen beteiligen. Hoch zu Roß ziehen dann festlich gekleidete Männer singend und betend durch die Dörfer.

Schriftlich erwähnt wurde das Oster- oder Kreuzreiten erstmals 1541 zwischen Wittichenau und Ralbitz. Und zumindest seit dieser Zeit findet es jährlich statt. Selbst als im Frühjahr 1945 Tiefflieger über die Lausitz rasten, hielten die Sorben am Osterritt fest. Seinen Tiefpunkt hatte der Brauch 1974, als lediglich 487 Reiter an der Prozession teilnahmen.

Die Auferstehungsbotschaft dürfen nur Männer verkünden. Sie müssen Sorbisch sprechen und singen können, Katholiken sein und vor allem aktiv am Kirchenleben der Gemeinde teilnehmen. In dem kleinen sorbischen Ort Ostro wird neben dem Osterreiten auch das Saatreiten gepflegt – „Wokolo polow“, wie die Sorben sagen, um die Felder herum. In Ostro ist die Tradition des Osterreitens relativ jung. Erst 1814 genehmigte der damalige Bischof des Domstifts Bautzen der Pfarrgemeinde eine eigene Prozession.

Auf die längste Tradition kann Wittichenau bei Hoyerswerda blicken, wo der größte Reiterzug startet. Etwa 500 Männer in festlichem schwarzen Frack, schwarzen Hosen, weißem Hemd und Zylinder sowie einem Rosenkranz werden hier am Sonntag nach dem Gottesdienst auf die Pferde steigen und sich auf den Weg in die Nachbardörfer begeben. Dabei werden sie sorbische Kirchenlieder wie „Dzens Chrystus z mortwych stanyl je“ (Christus ist heute von den Toten auferstanden) singen.

Das erste Paar des Zuges trägt die Fahnen, das zweite hält das Kreuz und das dritte eine Figur des auferstandenen Christus. Als Symbol für die Dreieinigkeit von Gottvater, Sohn und Heiligem Geist umreiten sie unter Glockengeläut dreimal die Kirche und beten dabei um den Segen Gottes für die Lebenden und um ewiges Heil für die Verstorbenen. Anschließend reitet die Prozession auf einen festgeschriebenen Weg in die Nachbarpfarrei, um allen die frohe Botschaft des auferstandenen Herrn zu verkünden. Brauch ist auch, daß die besuchte Gemeinde einen Gegenbesuch abstattet und die Reiter beköstigt werden.

Ebenso herausgeputzt wie die Reiter sind ihre Pferde. Sie tragen mit Muscheln oder Metallbeschlägen verziertes Geschirr, spezielle Sättel, Haarschmuck und Schleifen im Schweif. Auch frische Blumen werden neuerdings als Schmuck verwendet. Überhaupt ist der Schmuck der Pferde gewissen Moden unterworfen, wie im vergangenen Jahr in der Ausstellung „Das Osterreiten“ in Bautzen deutlich wurde. Kirchenfahnen und Satteldecke waren früher viel reicher bestickt, und letztere trugen meistens das Monogramm des Reiters. Kreuzen dürfen sich die zehn Prozessionen übrigens nicht, denn das bedeutet Unglück.

Ab 14 Jahren dürfen Jugendliche an der Prozession teilnehmen. Wer erstmals dabei ist, trägt einen kleinen grünen Kranz auf dem Leib. Bei einer 25jährigen Teilnahme wird ein silberner Kranz, bei der 50jährigen ein goldener Kranz getragen.

Acht Ritte fehlen dem derzeit bedeutendsten Sorben noch bis zum silbernen Kranz: Stanislaw Tillich. Der sächsische Ministerpräsident lebt in Panschwitz-Kuckau, von wo traditionell ein Prozessionszug nach Crostwitz aufbricht. Allerdings scheint ihm neuerdings das größte Fest seines Volkes wenig zu bedeuten. Im vergangenen Jahr feierte er lieber seinen 50. Geburtstag bei Tochter Dana im Ruhrgebiet, für dieses Jahr ließ er durch einen Pressesprecher mitteilen, daß er Urlaub im Ausland mache.

Weitere Informationen im Internet unter www.osterreiten.de ; Übersichtskarte über die Routen unter www.oberlausitz.com

Im Sorbischen Museum in Bautzen, Ortenburg 3, ist neben anderen Ausstellungen bis zum 25. April die Sonderausstellung „Ostern bei den Sorben. Vom Schenken um die Osterzeit“ zu sehen. Telefon: 0 35 91 / 4 24 03, Internet: www.museum.sorben.com

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