© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/10 26. März 2010

Der politisch-sexuelle Komplex
Veränderte Diskussion um pädophile Übergriffe: Die Grünen und der Fluch der Anfangsjahre / Altlasten kommen ans Tageslicht
Toni Roidl

Seit Wochen beherrscht das Thema pädophiler Übergriffe die Medien. Im Zentrum der Kritik stand zunächst allein die katholische Kirche. Doch seit Bekanntwerden von Hunderten Mißbrauchsfällen in der reformpädagogischen Odenwaldschule weitet sich die Debatte aus.

Plötzlich stehen die 68er, die Grünen und die sexuelle Revolution im Visier der Kritiker. „Die Grünen, der Sex und die Kinder“, titelte Spiegel-Autor Jan Fleischhauer Mitte Februar auf Spiegel-online und rückte die „Jugendsünden“ der frühen Grünen ins Tageslicht.

 Selbst die Humanistische Union gerät in die Kritik: Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) berichtete, daß die „Ikone“ der Erziehungswissenschaften und der Odenwald-Reformpädagogik, Hartmut von Hentig, auch Beirat des atheistischen Weltanschauungsbundes Humanistische Union e.V. (HU) ist. Diese unterstützte jahrelang strukturell und personell die Arbeitsgemeinschaft Humane Sexualität, deren „AG Pädo“ nach Recherchen des ZDF 2003 als Pädophilenring von der Polizei ausgehoben wurde.

Dabei erklärte schon 1998 ein öffentliches Positionspapier des AHS e.V.: „Es gibt Erwachsene, die sich in die Gefühls-, Fantasie- und Wunschwelt von Kindern hineinversetzen können und dem Kind dann die Führungsrolle überlassen. Sind beide Seiten dazu bereit, können dabei auch Erotik und Sexualität eine Rolle spielen. Es gibt Kinder, die ihre erotischen Bedürfnisse auch an Erwachsene richten und sexuelle Kontakte mit ihnen suchen.“ Zeitgleich zitierte die Frauenzeitschrift Emma 1997 ein AHS-Kuratoriumsmitglied über das Projekt „Leih-Väter“: „Mir war klar, daß die Männer vor allem darum soviel für die Jungen taten, weil sie mit ihnen ein sexuelles Verhältnis hatten ... aber ich achtete bei meiner Supervision besonders darauf, daß sich die Jungen nicht unter Druck gesetzt fühlten.“ Erst 2004 distanzierte sich die HU nach öffentlichem Druck von der AHS.

Pädophile traten als Sexualwissenschaftler auf

Prominentes Beiratsmitglied der HU ist die liberale Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Sie hatte als erste Vertreterin der Politik die Kirche wegen der Mißbrauchsfälle scharf angegriffen – gleichzeitig jedoch eine Verlängerung der Verjährungsfristen bei sexuellem Mißbrauch abgelehnt.

Noch lehnt ihre Partei, die FDP, auch einen Gesetzentwurf ab, den Grüne, SPD und Linke Anfang des Jahres einbrachten. Er sieht vor, das Verbot der Benachteiligung aufgrund von Herkunft und Geschlecht laut Artikel 3 Grundgesetz um das Verbot einer Diskriminierung aufgrund von „sexueller Identität“ zu erweitern. Von dem Gesetz sollen Schwule, Lesben und Transsexuelle profitieren. Es könnte damit auch zum Freibrief für Pädophile werden, die dann wegen ihrer Neigung nicht mehr „diskriminiert“ werden dürften, warnt der Soziologe Gerhard Amendt (Bruder des Sexualwissenschaftlers Günther Amendt).

Diese Zusammenhänge werfen ein grelles Licht auf die politische Szene, in deren Klima pädophile Neigungen unter der Decke ideologischer „Wissenschaft“ gedeihen. Und das nicht erst seit gestern: Die Spur führt direkt zurück zur „sexuellen Revolution“ von 1968.

In deren Sog bastelten sich auch Pädophile einen ideologischen Überbau zur Legitimierung ihrer Begierden und traten als „Sexualwissenschaftler“ auf, so Frits Bernard (in Wahrheit ein berüchtigter Kinderschänder, gestorben 2006). Er brachte eine „Studie“ in Umlauf, für die er 30 Erwachsene nach traumatischen Erlebnissen befragte. Ergebnis: Sex mit Kindern sei ein „Verbrechen ohne Opfer“, da die Kinder freiwillig bei der Sache seien. Bernard wurde im Spiegel (30/1980) als „Experte“ zitiert und fand unter liberalen Psychologen zahlreiche Nachbeter. Der Forensiker Eberhard Schorsch etwa stimmte ein: „Ein gesundes Kind in einer gesunden Umgebung verarbeitet nichtgewalttätige sexuelle Erlebnisse ohne negative Dauerfolgen.“ Immerhin hat sich Schorsch 1989 von seinen Aussagen klar distanziert und erklärt, er sei von der Utopie der sexuellen Liberalisierung verblendet gewesen.

Als Konsequenz aus solchen „Studien“ forderten politische Pädophilen-Gruppen die Streichung des Paragraphen 176 Strafgesetzbuch (StGB), der Gesetze gegen Inzest, Sexualität mit Abhängigen, homosexuelle Beziehungen unter 18jähriger, Kuppelei mit unter 16jährigen sowie die uneingeschränkte Verbreitung pornographischer Schriften.

In diesem Klima kam den Pädosexuellen die breite alternative Bewegung als Vehikel gerade recht. Schon Anfang 1980 plante die Berliner Allgemeine Homosexuelle Aktion (AHA) ein „Komitee Bundestagswahl“. Dessen „AG Öffentlichkeit“ teilte mit: „Schaffen wir eine politisch interessierte schwule Massenbasis, so sind die Parteien mit einer politischen Bewegung konfrontiert, vor der sie dann Aussagen machen müssen, die in ihrer Erfüllung kontrolliert werden können, so etwas wie ein imperatives Mandat.“ Nach einigen internen Kontroversen wurde auch den Pädosexuellengruppen bei der Gründungsveranstaltung Redezeit zugestanden. In der Bonner Beethovenhalle forderten diese „die Abschaffung der Bestrafung von Sexualität überhaupt“, worunter auch „Sexualität zwischen Erwachsenen und Kindern“ fallen sollte.

Das „Recht der Kinder auf freie Sexualität“

Dem Beispiel der Homosexuellenorganisation Rosa Hilfe folgend, organisierte sich die Deutsche Studien- und Arbeitsgemeinschaft Pädophilie e. V. (DSAP) mit Sitz in Krefeld und verfügte bald über Regionalgruppen in Berlin, Hamburg, Münster, Düsseldorf, Frankfurt und München. Nach eigenen Aussagen wollte der Verein darüber „aufklären, welche Bedürfnisse Kinder nach sexuellen Kontakten mit Erwachsenen haben“.

Selbst beim Gründungsparteitag der Grünen proklamierten pädophile Aktivisten vom Podium das „Recht der Kinder auf freie Sexualität“. Die grüne Bundestagsfraktion beantragte 1985 (Drucksache des Deutschen Bundestages 10/2832), die Paragraphen 175, 182 (StGB) ersatzlos zu streichen, da ein Verbot von Sexualkontakten mit Minderjährigen „die freie Entfaltung der Persönlichkeit“ behindere und zudem „bürgerliche Moralvorstellungen“ ausdrücke.

Im gleichen Jahr forderte der grüne NRW-Landesverband in Lüdenscheid, diejenigen, „die gewaltfreie Sexualität mit Kindern wollen“, vom Druck der Strafverfolgung zu befreien, da es nicht angehen könne, wenn „deren Existenz von einem Tag auf den anderen vernichtet wird, wenn bekannt wird, daß sie Beziehungen eingegangen sind, die wir als für beide Teile angenehm, entwicklungsfördernd, kurz: positiv ansehen müssen“. Auch der Grünen-Verband Baden-Württemberg wollte „dem persönlichen Glück“ Pädophiler nicht im Wege stehen. Auf die knappste Formel brachte es die Alternative Liste Berlin: „Es ist unmenschlich, Sexualität nur einer bestimmten Altersstufe zuzubilligen. Wenn Jugendliche den Wunsch haben, mit Älteren zusammenzuleben, weil sie pädosexuelle Neigungen haben, muß ihnen die Möglichkeit dazu eingeräumt werden.“

Parallel dazu kritisierte der damalige Schwulenreferent der Bundestagsfraktion der Grünen und heutige Parlamentarische Geschäftsführer der Bündnisgrünen Volker Beck in dem Buch „Der pädosexuelle Komplex“ (Leopardi, Frankfurt/Main, 1988) den Sonderausschuß des Bundestages: „Der Sonderausschuß hat sich (...) wider besseren Sachverständigenwissens für generelle Strafbarkeit der Sexualität mit Kindern entschieden. Obwohl eine rationale Auseinandersetzung mit dem Problem des Paragraph 176 nicht gleich zum Erfolg führt, scheint er mir der einzige Ausgangspunkt für eine tatsächliche Verbesserung der rechtlichen Situation der Pädophilen.“ Ein Grund mehr für die Grünen, im März des Jahres 1989 per Gesetzentwurf zur strafrechtlichen Gleichstellung von Homo- und Heterosexualität nochmals klarzustellen: „Der Paragraph 175 StGB bedroht einvernehmliche sexuelle Kontakte zwischen jungen Männern zwischen 14 und 18 Jahren und Männern über 18 Jahre mit Strafe und beeinträchtigt damit insbesondere die ungestörte sexuelle Entwicklung schwuler Jugendlicher.“ (Deutscher Bundestag, 11. Wahlperiode, Drucksache 11/4153)

Eine Linie zu den Lobbyisten der Transgender-Politik

Doch all der Initiativen zum Trotz, stießen die Pädophilen im politischen Bereich an ihre Grenzen. Bereits 1980 hatte Emma-Chefin Alice Schwarzer deutliche Worte gefunden: „Ich halte Pädophile nicht für eine zu befreiende verkannte Minderheit (...) Dabei liegt es auf der Hand, daß es bei der Pädophilie nicht um das Recht der Kinder auf ihre Sexualität geht, sondern um das Recht der Erwachsenen auf die Sexualität der Kinder.“ Dieser Linie folgend, stellten die Grünen ihre pädosexuellen Forderungen spätestens seit Beginn der 1990er Jahre ein. Die beabsichtigte Integration von Päderasteninteressen ins grüne Parteiprogramm wurde insgesamt ein Fehlschlag. Die Szene selbst zog sich in Nischen zurück, etwa die berüchtigten Kinderschändernester „Indianerkommune Nürnberg“ oder „Kinderbefreiungsfront Pforzheim/Karlsruhe“.

Nichtsdestoweniger führt eine Linie von den bewußt provokanten Parolen der 1970er und 1980er Jahre zu den geölt funktionierenden Netzwerken der heutigen Lobbyisten, die aktuell „Transgender-Politik“ auf Länder- und Bundesebene durchsetzen. In den verzweigten Ausläufern der Gender-Initiativen finden sich teilweise obskure Vereine, deren Forderungen wieder an die 1970er und 1980er erinnern. So sorgte 2007 die von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung verteilte Broschüre „Körper, Liebe, Doktorspiele“ für Proteste, weil sie unter dem Euphemismus „intergenerational intimacy“ zu Intimitäten zwischen Kindern und Erwachsenen ermutigte. Und in der Odenwaldschule wurde laut FAS gelehrt, daß alle Menschen zumindest bisexuell seien.

Zu den ehemaligen Schülern der Odenwaldschule gehört neben der Porno-Unternehmerin Beate Uhse auch Grünen-Urgestein Daniel Cohn-Bendit. Und dieser schrieb in seinem Memoirenband „Der große Basar“ aus dem Jahr 1975 (siehe Kasten) über seine „Flirts“ mit Kindern. Heute bezeichnet Cohn-Bendit seine Schilderungen als „provokante Fiktionen“. Das Schweigen der 68er ist ohrenbetäubend.

 

Stichwort: Grüne Lasten der Vergangenheit

 „Eine Entkriminalisierung der Pädosexualität ist angesichts des jetzigen Zustandes ihrer globalen Kriminalisierung dringend erforderlich, nicht zuletzt weil sie im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen aufrechterhalten wird.“

„Allein eine Mobilisierung der Schwulenbewegung für die rechtlich im Gegensatz zur Pädosexualität völlig unproblematische Gleichstellung von Homo- und Heterosexualität (...) wird das Zementieren eines sexual-repressiven Klimas verhindern können – eine Voraussetzung, um eines Tages den Kampf für die zumindest teilweise Entkriminalisierung der Pädosexualität aufnehmen zu können.“(Zitat: Angelo Leopardi: Der pädosexuelle Komplex, Förster Verlag Berlin/Frankfurt a.M.,1988)

 „Mein ständiger Flirt mit allen Kindern nahm bald erotische Züge an. Ich konnte richtig fühlen, wie die kleinen Mädchen von fünf Jahren schon gelernt hatten, mich anzumachen. (...)

Es ist mir mehrmals passiert, daß einige Kinder meinen Hosenlatz geöffnet und angefangen haben, mich zu streicheln. (...) Wenn sie darauf bestanden, habe ich sie auch gestreichelt.“ (Zitat: Daniel Cohn-Bendit: Der große Basar, Trikont-Verlag, München 1975)

Fotos: Grüner Gesetzentwurf des Jahres 1985: Entkriminalisierter Sex, Frust über fehlende Aufklärung: Was geschah wirklich?

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen