© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/10 19. März 2010

Kampf gegen die Abgesänge
Leipzig hat es schwer
Ekkehard Schultz

Eine der wichtigsten Aufgaben von Messen besteht darin, ein breites Publikum auf neue Trends aufmerksam zu machen. Doch auch zwanzig Jahre nach dem gesellschaftlichen Umbruch von 1989/90 fällt es der Leipziger Buchmesse schwer, mit solchen neuen Trends aufzuwarten.

Denn die entscheidenden Impulse auf diesem Markt werden durch die Neuerscheinungen im Herbst gesetzt, wenn sich die Verlage wieder in Frankfurt treffen. Daran ändert auch die erneute Konzentration Leipzigs auf den osteuropäischen und südosteuropäischen Raum nur wenig, zumal dessen Bedeutung für den Buchmarkt in Deutschland viel zu gering ist, um daraus größere wirtschaftliche Hoffnungen zu schöpfen. Gleiches trifft ebenso für den prozentualen Umsatz des deutschen Gesamtmarkts in den neuen Bundesländern zu.

Dennoch darf es mehr als sicher gelten, daß die traditionelle Großveranstaltung vom 18. bis 21. März erneut große Besuchermassen auf das im Norden der Stadt gelegene Messegelände ziehen wird, auch wenn in diesem Jahr mit lediglich 2.100 Ausstellern gerechnet wird – zweihundert weniger als 2009. Zudem werden die mehr als zweitausend Einzeltermine der Veranstaltungsreihe „Leipzig liest“ einen besonderen Publikumsmagneten darstellen. Die zahlreichen Lesungen und Diskussionen mit etwa 1.500 Autoren, zu denen auch die Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller zählt, finden an den Messetagen an über 300 Orten der Stadt und des nahen Umlands statt.

Nach den Länderschwerpunkten Slowenien (2007) und Kroatien (2008) widmet sich diesmal die Buchmesse mit Serbien erneut einem Staat Ex-Jugoslawiens. Im Osten wird auch der Fokus eines „Autoren-Specials“ liegen, welches die Buchmesse gemeinsam mit dem Literarischen Colloquium Berlin organisiert. Dabei werden sich sechs europäische Schriftsteller – Friedrich Christian Delius (Deutschland), Andri Snær Magnason (Island), László Földényi (Ungarn), Eugenijus Ališanka (Litauen), Georgi Gospodinov (Bulgarien) und Natalja Kljutscharjowa (Rußland) – in Form von persönlich gehaltenen Essays mit den Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise beschäftigen.

Ausführlicher thematisiert wird zudem wie schon 2009 die jüngere deutsch-deutsche Vergangenheit. Besonders interessant dürfte dabei eine Podiumsdiskussion im Museum an der Runden Ecke am Donnerstagabend werden, die der Frage nachgeht, ob die Geschichte der Friedlichen Revolution von 1989 bisher ausreichend erforscht wurde. Zudem wird erörtert, inwieweit die Ereignisse ihren angemessenen Platz in der deutschen und europäischen Geschichte gefunden haben. Nicht nur von lokalgeschichtlichem Interesse dürfte zudem eine Diskussion über die juristische Sicht auf die langjährigen Debatten um den Wiederaufbau der Leipziger Universitätskirche sein, die am Samstag am gleichen Ort stattfinden soll.

Für die Diskussion um die Zukunft des Messestandorts sollte die im vergangenen Jahr mit dem Förderpreis Buchwissenschaft gekürte beste Studienarbeit, die mittlerweile als Sachbuch vorliegt, die geeignete Grundlage darstellen. In dieser hat sich Mario Gäbler unter dem Titel „Was von der Buchstadt übrigblieb“ mit der Entwicklung der Leipziger Verlage seit 1989 beschäftigt. In Deutschlands einst führendem Handelszentrum haben heute gerade nur noch 32 Verlage ihren Hauptsitz, die meisten davon sind Kleinverlage. Die Hoffnung, an alte traditionsreiche Zeiten anzuknüpfen, wird folglich wohl nur Wunschdenken bleiben.

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