© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/10 19. März 2010

Peter Petersen geht es an den Kragen
Jena: Ein ehemaliger Lehrer bemüht sich darum, den Namen des Reformpädagogen aus dem Stadtbild zu entfernen – womöglich mit Aussicht auf Erfolg
Alexander Lechler

Die Umbenennung von Straßen mit vermeintlich geschichtlich „belasteten“ Namensgebern hat sich in den vergangenen Jahren in Deutschland zu einer Art Volkssport entwickelt (JF 13/08). Nun hat die Welle auch die thüringische Universitätsstadt Jena erreicht. Hier soll der Peter-Petersen-Platz seinen Namen verlieren (JF 4/10).

Petersen galt als Reformer, der sich für eine kindgerechte Alternative zu den streng hierarchischen Schulen der zwanziger und dreißiger Jahren stark machte und ein Lernen unabhängig von Stand und Religion anstrebte. Er war bemüht, Theorie und Praxis sowie Lehre und Forschung miteinander zu verknüpfen. Petersen trat nie der NSDAP bei, gehörte aber dem „Nationalsozialistischen Lehrerbund“ an.

Der Initiator der geplanten Umbenennung des Peter-Petersen-Platzes in Jena ist kein Unbekannter. Benjamin Ortmeyer, ehemaliger Grundschullehrer und heute Dozent der Goethe-Universität Frankfurt am Main, beschäftigt sich seit längerem mit Petersen. Er wirft dem Reformpädagogen rassistische und antisemitische Äußerungen vor. Darüber hinaus unterstellt er ihm in der taz und im Deutschlandradio eine Nähe zur NS-Ideologie und „völkisches Denken“.

Doch mit derlei Thesen stößt er an der Universität Jena auf Widerstand. „Das Schulkonzept Petersens paßt nicht zu den Ideen des Nationalsozialismus“, sagt Matthias Schwarzkopf, Lehrbeauftragter und Mitarbeiter am Institut für Erziehungswissenschaft. Ein Professor des historischen Instituts in Jena, der ungenannt bleiben möchte, bezeichnet es gar als blanken Unsinn, Petersen ein völkisches Denken vorzuwerfen. „Ich habe durchaus eine kritische Sicht auf die Person Petersen, aber es geht mir um einen fairen Umgang und nicht um Skandalisierung. Durch Ortmeyers willkürliche Thesen entsteht jedoch ein Zerrbild Petersens“, sagte der Historiker.

Ortmeyer läßt sich davon nicht beirren. Auch das 1972 eröffnete Petersen-Gymnasium in Mannheim soll umbenannt werden. Treibende Kraft dort sind die Grünen, die sich ebenfalls von Benjamin Ortmeyer mit Argumenten versorgen lassen.

Betrachtet man die Vita des Ex-Lehrers Ortmeyer, so erhält man auch ein Bild, allerdings weniger verzerrt, sondern recht klar, zumindest was dessen geistige Haltung anbelangt. Der 1952 in Kiel geborene Ortmeyer war von 1975 bis 2003 als Lehrer in Frankfurt am Main tätig, zuletzt an einer Grundschule. Bis Februar 2009 war Ortmeyer Mitglied der Anti-Nazi-Koordination Frankfurt (ANK), die in ihrer Gründungserklärung vom Juni 2001 unter Punkt 3 ausführt, daß sie sich keine defensive Ziele setzt, sondern vielmehr aktiv Veranstaltungen von „Nazis und Rassisten“ verhindern wolle. Wie das dann aussehen kann, bekam ein Polizeibeamter zu spüren, als er durch einen Biß am Daumen von einem ANK-Mitglied während einer Demonstration verletzt wurde und eine Woche dienstunfähig war.

Ortmeyer ist nicht nur die Person Peter Petersens verdächtigt, auch das Lied der Deutschen bereitet ihm Unbehagen. Bereits vor einigen Jahren beschäftigte sich Ortmeyer in einer Untersuchung mit dem Deutschlandlied und kam zu dem Schluß, daß es sich um ein furchtbares Loblied auf die deutsche Nation handle. Wenngleich er Hoffmann von Fallersleben nicht als Nationalsozialisten diffamiert, will er dennoch herausgefunden haben, daß das Lied auch 1841 keinesfalls fortschrittlich war.

Entscheidung fällt im November

Er argumentiert, daß die erste Strophe von Anfang an chauvinistisch gewesen sei. Den Deutschen sei es darum gegangen, das „erste Volk auf Erden zu werden“. An der zweiten Strophe bemängelt er, daß dahinter Männlichkeitswahn und eine Mentalität der „Nutzung der Frau“ stehe. Selbst an der dritten Strophe, der heutigen Nationalhymne, läßt er kein gutes Haar. Er kritisiert, daß erst die Freiheit kommen müsse, aus ihr das Recht und dann schließlich die Einheit. Einigkeit und Recht und Freiheit seien eben nicht für den einzelnen Bürger gedacht, sondern pauschal nur für das deutsche Vaterland. Weiter argumentiert er, Einigkeit sei die Losung gewesen, sich Österreich und Gebiete im Osten mit deutscher Minderheit einzuverleiben.

In Jena soll im November die endgültige Entscheidung über die Straßenumbenennung erfolgen. Zuvor wollen die im Kulturausschuß der Stadt vertretenen Parteien weitere Experten-Meinungen zu Peter Petersen einholen. Ein Fraktionsmitarbeiter der FDP mutmaßt allerdings, daß Jena im Jahre 2011 endgültig ohne Peter-Petersen-Platz auskommen muß. Harald Kalbfuß, Fraktionsmitarbeiter der SPD, geht sogar noch ein Stück weiter: „Wäre morgen die Abstimmung, würde die SPD für eine Umbenennung votieren.“

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