© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/10 19. März 2010

Ole von Beust kommt ins Rutschen
Hamburg: Sinkende Umfragewerte und innerparteilicher Streit sind der Preis, den die CDU für die Koalition mit den Grünen zahlen muß
Tobias Westphal

Die CDU in Hamburg, seit der Bürgerschaftswahl im Jahr 2008 in einer Koalition mit den Grünen, ist arg aufs politische Glatteis geraten und hat einige schwere Ausrutscher zu verkraften. Würde man den ehemaligen Präsidenten der Bürgerschaft, Berndt Röder, befragen, könnte die Antwort lauten: Schuld daran ist der strenge Winter in Hamburg.

Röder hatte im Februar bei der zuständigen Behörde die Räumung der kleinen Straße vor seinem Haus angemahnt. Prompt wurde die Straße vom Eis befreit, während die anliegenden Bürgersteige wie fast überall in Hamburg ungeräumt blieben. Anstatt seinen Fehler und die Sonderbehandlung sofort zuzugeben, flüchtete sich der zweithöchste Repräsentant in Ausreden. Auch eine Spende an das Deutsche Rote Kreuz konnte „Glatteis-Röder“ nicht mehr retten. Sein unter dem Druck der Öffentlichkeit erfolgter Rücktritt Ende Februar war nicht nur ein persönlich unrühmlicher Abgang, sondern auch eine Blamage für seine Partei.

Aber es sollte noch schlimmer kommen für die CDU: Der Landesvorsitzende Michael Freytag trat sowohl als Finanzsenator als auch von allen Parteiämtern zurück und wird auch sein Bürgerschaftsmandat abgeben. Freytag war einer der wichtigsten Männer in der Partei und galt als möglicher Nachfolger des Ersten Bürgermeisters Ole von Beust. Seinen Rückzug begründete Freytag mit einem Wechsel in die Wirtschaft; seine Gegner behaupten, er flüchte vor der Verantwortung und seinen Kritikern.

Der Druck auf Freytag hatte bereits mit der Verkündung der das bürgerliche Lager der hanseatischen Union stark verunsichernden Koalitionsvereinbarungen zwischen der CDU und den Grünen zugenommen. Später mußte er als Finanzsenator zum einen die HSH Nordbank unterstützen und zum anderen die Reederei Hapag Lloyd retten – beide Transaktionen kosteten den Hamburger Steuerzahler bei schwieriger Haushaltslage mehrere hundert Millionen Euro, und bei der HSH Nordbank ist wegen deren Verlusten noch kein Ende in Sicht.

Es überrascht daher nicht, daß Freytag die vergangenen zwei Jahre als die schwersten seines Lebens bezeichnete. Neuer Finanzsenator wird Carsten Frigge, den CDU-Parteivorsitz hat – zunächst kommissarisch – Frank Schira übernommen, der auch CDU-Fraktionsvorsitzender in der Bürgerschaft ist und nun aufgrund der Machtfülle neben Christoph Ahlhaus als ein möglicher Nachfolger von Beusts gehandelt wird.

Das schwarze-grüne Bündnis hat der CDU bisher kein Glück gebracht. Dabei mußten auch die Grünen bei den Koalitionsverhandlungen einige Kröten schlucken: So wird etwa die Elbe vertieft und das Kohlekraftwerk Moorburg gebaut. Die Umfragewerte sind für die Grünen mit derzeit 16 Prozent dennoch äußerst gut und für die CDU mit einem Minus von gut zwölf Punkten auf 31 Prozent desaströs. Angesichts dieser Umfragewerte und des personellen Aderlasses wird das Parteivolk unruhig.

Mehr als Unruhe, nämlich konkreter Widerstand regt sich bei Teilen der Parteibasis gegen die eigene Führung hinsichtlich der geplanten Schulreform (JF 2/10). Über die Hälfte der CDU-Wähler lehnen laut den Meinungsforschern von Infratest Dimap die Einführung der sogenannten sechsjährigen Primarschule ab und möchten das bisherige Schulsystem und vor allem das Gymnasium beibehalten. Von Beust wehrt sich gegen den Vorwurf, er habe den Grünen bei den schwarz-grünen Koalitionsverhandlungen etwas opfern müssen und sei deswegen der Totengräber des Gymnasiums, das um zwei Jahre beschnitten wird. Beust bestätigt der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, daß die Einigung auf die Primarschule zunächst ein „politischer Kompromiß“ gewesen sei.

An der Schulreform zeigt sich mustergültig, wie weit die Hamburger CDU unter von Beust auf dem „orangenen“ Weg hin zu einer „modernen“, will sagen linksliberalen „Großstadtpartei“ vorangeschritten ist. Das bisherige dreigliedrige Schulsystem basiere laut Ole von Beust auf einem überholten Menschenbild. Auch die CDU habe sich seiner Ansicht nach verändert: Deutschland sei nun ein Einwanderungsland, und das Familienbild habe sich gewandelt, die traditionelle Aufgabenteilung zwischen Mann und Frau gebe es nicht mehr. Konservativ zu sein, bedeute heute etwas anderes als früher, und das sei auch notwendig, um mehr als nur 25 Prozent der Wähler zu erreichen. Man könnte meinen, der Hamburger Bürgermeister versucht mit seinen Äußerungen die „Berliner Erklärung“ noch zu übertreffen und sich bei Angela Merkel Fleißbienchen zu verdienen.

Die Unruhe in der Hamburger CDU könnte sich zu einem Sturm auswachsen, sollten die Bürger im Sommer per Volksentscheid die geplante Schulreform kippen. Dann wären von Beusts Tage im Hamburger Rathaus gezählt.

Foto: Ole von Beust im Hamburger Rathaus: Tage im Amt gezählt?

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