© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/10 19. März 2010

„Besser als die USA“
Werden wir gut regiert? – „Good Governance“ nennt die Politologie die Disziplin, die erforscht, wie Regieren richtig geht
Moritz Schwarz

Herr Professor Osborne, wird Deutschland gut regiert?

Osborne: Ich weiß, daß es derzeit bei Ihnen viel Verdruß über die Regierung gibt. Aber tatsächlich ist diese auf dem richtigen Weg.

Woran machen Sie das fest?

Osborne: Mit der Agenda 2010 hat Deutschland begonnen zu deregulieren, und man hat trotz zunehmender Kritik daran festgehalten. Natürlich gibt es noch viele Probleme, unterm Strich aber wird Deutschland derzeit besser regiert als etwa die USA.

Regierung ist Politik und damit subjektiv – wie kann man Regierung also objektiv messen?

Osborne: Das ist die Gretchenfrage, denn was etwa der Rechten als politischer Erfolg gilt, gilt der Linken als Katastrophe und umgekehrt. Die Politikwissenschaft sieht sich also vor der Herausforderung, ein System objektiv zu bewerten, dessen Wesen die Subjektivität, dessen Prinzip der Meinungsstreit und die ständige Kritik der einen an den anderen ist. Wie soll sie da dem Hilfe suchenden Bürger eine Antwort darauf geben, ob seine Regierung nun gut oder schlecht ist?

Ihre Antwort heißt: „Good Governance“.

Osborne: „Good Governance“ stellt Kriterien für eine effektive Regierung auf, etwa Transparenz, Rechtsstaatlichkeit, Abbau von Bürokratie etc. So kann der Bürger seine Regierung „messen“. Wie er bewertet, was er mißt, ist eine andere Frage. Aus Sicht des „Good Governance“ ist die 2003 eingeleitete deutsche Reformpolitik zu begrüßen, denn sie zielt darauf, den Staat zu verschlanken.

Das mag für manchen schlicht „neoliberal“ klingen: Ist „Good Governance“ tatsächlich eine wissenschaftliche Disziplin – oder vielleicht nur politologisch verbrämte Weltanschauung?

Osborne: Zum Beispiel ist die Frage, „Welche Regierungsmaßnahmen befördern Wirtschaftswachstum?“, eine objektive, also wissenschaftliche Frage. „Was ist der Wert solchen Wachstums?“ ist dagegen eine ethische Frage. „Good Governance“ erforscht, was eine Regierung tun muß, um effizient zu regieren. Ob das auch politisch gewollt ist, ist etwas anderes.

Das heißt, eine gute Regierung ist nicht unbedingt beliebt?

Osborne: Und andersherum.

Demokratie und gute Regierung stehen also im Widerspruch?

Osborne: Warum sollte die Mehrheit automatisch recht haben? Und warum sollten demokratisch gewählte Politiker automatisch das Richtige tun? Sie sind naturgemäß meist mehr an ihrer Wiederwahl als am Gemeinwohl interessiert. Und mitunter verlangt die Mehrheit danach, schlecht regiert zu werden. Wen es etwa nervös macht, nicht mehr ein Leben lang ein und denselben Arbeitsplatz zu haben, der wird von einer effektiven Regierung nicht begeistert sein, die das System der sich verändernden globalen Situation anpassen will. Aber damit verlassen wir aber das Feld der objektiven Beurteilung und betreten das der subjektiven Bewertung, und da herrscht der Wähler, nicht der Politikwissenschaftler. Es hat allerdings keinen Zweck, wenn Sie versuchen, Demokratie und „Good Governance“ gegeneinanderzustellen, denn dort geht es um Legitimation, hier um Effizienz.

Abraham Lincoln sprach von der Herrschaft „des Volkes, durch das Volk, für das Volk“, die automatisch zu einer guten Regierung führe.

Osborne: Dieses Zitat von 1863 faßt sicher das Selbstverständnis der USA zusammen. Doch Legitimation ist nur der eine Aspekt des amerikanischen Experiments. Der andere ist das Prinzip begrenzter Regierung, die schlank und effizient nur das regelt, was unbedingt sein muß. Doch während der großen Krisen in unserer Geschichte wurde die Regierung immer weiter ausgedehnt. Es gab also zu Beginn tatsächlich noch die selbstverständliche Übereinstimmung, daß demokratische Regierung auch schlank ist. Heute ist das leider nicht mehr der Fall.

Also, wer ist nun schuld am Frust über Schwarz-Gelb, wenige Wochen vor der einzigen Landtagswahl 2010?

Osborne: Wenn derzeit die Parteien, die die Reformen zurückschrauben wollen, in den Umfragen vorne liegen, dann kann ich nur sagen, was für Regierungen gilt, gilt auch für den Wähler: Nicht nur diese sollte schlank sein, sondern auch dessen Erwartungen. Von einem schlanken Staat kann man nicht das „Rundum sorglos“-Paket fordern. Tut man es doch, ist die Frustration hausgemacht.

So mancher ist allerdings von Schwarz-Gelb enttäuscht, weil die Regierung im Grunde seit ihrer Wahl im Herbst gar nicht regiert. Ein Merkmal für „Bad Governance“?

Osborne: Nicht unbedingt, vielleicht sogar im Gegenteil. Denn zu den Krankheiten der Demokratie gehören Regierungen, die in Aktivismus verfallen, um den Wähler zu beeindrucken, und dabei nur Schaden anrichten, wie wir das in den letzten 18 Monaten in den USA erleben mußten. „Good Governance“ bedeutet auch, immer nur das zu unternehmen, was auch notwendig ist.

 

Prof. Dr. Evan Osborne, Jahrgang 1964, ist von Haus aus Wirtschafts­wissenschaftler und lehrt heute an der Wright State University in Dayton/Ohio. Regelmäßig veröffentlicht er in Fachzeitschriften, sporadisch in der New York Times. Zum Thema „Good Governance“ publizierte er für das renommierte Cato Institute.

 

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