© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/10 12. März 2010

Blick in die Medien
Scheinheilig
Ronald Gläser

Erst die Katholiken, dann Käßmann. Die Berichterstattung der „Qualitätsmedien“ zeigt, welche Feindbilder das Establishment gerne pflegt – und welche nicht. Mit Käßmann hatten fast alle Mitleid. Beispielhaft war die Berichterstattung im Hamburger Spiegel, der eine Titelgeschichte über „Käßmanns gefeierten Rücktritt“ mit einem netten Käßmannfoto brachte – obwohl eine Fotomontage mit einer Weinflasche viel passender gewesen wäre. Eine Kirchenführerin die vorsätzlich gegen ihre eigenen Vorsätze verstößt? Egal. Der Spiegel ist der Auffassung, daß „man überall auf der Welt froh wäre über einen Star wie Käßmann“. Komisch. Mit der katholischen Kirche war der Spiegel nur wenige Wochen vorher nicht so nachsichtig verfahren. Es waren zwar nur einige untergeordnete Jesuitenpatres, die sich vor dreißig Jahren etwas haben zuschulden kommen lassen, aber das war schlimm genug für eine Titelgeschichte über die „Scheinheiligen“. Auf dem Bild: Ein Bischof oder Kardinal, der sich in den Schritt greift. Diese Unter-der-Gürtellinie-Berichterstattung ist für die katholische Kirche reserviert.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen