© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/10 12. März 2010

Meldungen

Vom eigentümlichen Bildungsbegriff der Alten

MARBURG. Mit seiner ausladend kommentierten Übersetzung der „Poetik“ des Aristoteles löste der Marburger Philosophiehistoriker Arbogast Schmitt 2008 ein enthusiastisches Echo in den „Leitmedien“ von Süddeutscher Zeitung bis Cicero aus. Das lag nicht nur daran, daß es Schmitt gelungen war, einen kanonischen Text abendländischer Bildungsgeschichte vom Überlieferungsschutt zu befreien. Die philologischer Kärrnerarbeit selten vergönnte Resonanz verschaffte ihm vielmehr die kulturphilosophische Botschaft, die in Schmitts Korrektur eines „fehlgeleiteten Aristotelesbildes“ steckte. Die läuft darauf hinaus, hinter einer Wand moderner, technisch-rationalistisch gefilterter Antikenaneignung den „eigentümlichen Bildungsbegriff der Alten“ freizulegen. Der sei von dem auf „Lebenserhaltungstechniken“ fixierten Bildungsverständnis der Moderne „fundamental“ verschieden. Seit zwanzig Jahren untersucht Schmitt solche Differenzen zwischen antiken und modernen Weltbildern und Lebenseinstellungen. Seit kurzem münden diese Anstrengungen in einem Forschungsprojekt über den Wandel des Vernunftbegriffs in der Bildungsgeschichte. Erste, für aktuelle Bildungsdebatten durchaus relevante Resultate sollen auf Tagungen am deutsch-italienischen Wissenschaftszentrum Villa Vigona am Comer See in diesem Jahr präsentiert werden (Marburger UniJournal, 12/09). 

 

Christliche Werte als die „Seele der EU“

BERLIN. Während kaum ein Parteimitglied und kein politischer Kommentator mehr zu sagen wüßte, was die „Identität“ der CDU unter Angela Merkel ausmache, entfaltet Hans-Gert Pöttering, Ex-Präsident des EU-Parlaments, „christdemokratische Visionen“ wenigstens für Europa (Die politische Meinung, 2/2010). Mit Blick auf das bevorstehende 60. Jubiläum des „Schumann-Plans“, der Keimzelle für die Gründungsverträge der Europäischen Gemeinschaft, reklamiert Pöttering für die Christdemokraten den Löwenanteil am Bau des europäischen Hauses. Es soll daher auch nicht als Zufall wirken, wenn Pöttering darauf hinweist, daß unter seiner Präsidentschaft der Bau eines Museums der Europäischen Geschichte beschlossen worden sei, das ab 2014, hundert Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges, helfen solle, seinen Besuchern eine „europäische Identität“ zu vermitteln. Zumindest in dieser durchaus anationalen „christdemokratischen Vision“ dürfte der Geschichtspolitiker Pöttering mit seiner Kanzlerin übereinstimmen. Bei den „christlichen Werten“, in denen er „die Seele der EU“ vermutet, sollte sich der westdeutsche CDU-Mann des Zuspruchs seiner in diese Richtung desinteressierten Parteichefin indes nicht so sicher sein.

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