© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/10 12. März 2010

U-Boote sind wichtiger als Symbolpolitik
Israel: Die Beziehungen zu Deutschland sind immer noch vergangenheitsfixiert / Jerusalems Interessenvertretung in Brüssel
Ivan Denes

Ein halbes Jahrhundert ist vergangen seit sich Konrad Adenauer und der israelische Staatspräsident David Ben Gurion im New Yorker Hotel Waldorf Astoria trafen. Dem katholischen Rheinländer und dem in Kongreßpolen geborenen sozialistischen Zionisten gelang es damals, nach der Tragödie des Holocaust eine erste Brücke zwischen Deutschland und Israel beziehungsweise zwischen Deutschen und Juden zu schlagen.

Inzwischen haben die bilateralen Beziehungen eine hohe Reife erreicht. Dazu haben nicht zuletzt die der Einmaligkeit der „Endlösung“ entsprechenden und historisch beispiellosen deutschen Wiedergutmachungsleistungen beigetragen (siehe Seite 10). Aber auch auf politischer Ebene blieb das Verhältnis weitgehend vergangenheitsbestimmt. In den sieben Jahren der rot-grünen Bundesregierung hielt es daher der damalige Außenminister und diplomatische Autodidakt Joseph Fischer für angebracht, mindestens einmal pro Jahr in einer Rede vor einer jüdischen Institution – es konnte eine Tagung des World Jewish Congress oder der B’nai-B’rith-Loge sein – denselben Tatbestand zu formulieren: „Die deutsche Außenpolitik wird von Auschwitz bestimmt.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel reichte diese faktisch-nüchterne Aussage nicht aus: „Israels Sicherheit ist bundesdeutsche Staatsräson“, erklärte die promovierte Pastorentochter vor der Knesset und wiederholte es vor dem US-Kongreß. Das klang nach Garantie, obwohl in einem immer wahrscheinlicher werdenden neuen Kriegsfall (Stichworte: Palästinensergebiete, Iran) Deutschland schon aus rein geopolitischen Gründen den Israelis keine effektive Hilfe leisten könnte – Ausnahme Rüstungsgüter und Expertise. Das letztere hat Tradition: Schon Franz Josef Strauß lieferte als Verteidigungsminister Waffen, Premier Ariel Scharon hat nach eigener Aussage viel aus den Memoiren des Wehrmachtsgenerals Heinz Guderian gelernt.

Zu den wichtigsten aktuellen Leistungen zählt die Lieferung deutscher U-Boote – die brennstoffzellenbetriebene Dolphin-Klasse ist die leistungsfähigste nichtatomar betriebene Kategorie der Welt. Die Boote könnten im Falle einer israelisch-iranischen Militärkonfrontation eine entscheidende Rolle als Abschußrampen für Marschflugkörper spielen. Die Israelis lieferten im Gegenzug unter anderem ihre führende Expertise in Sachen Drohnen und Terrorbekämpfung.

Die Zusammenarbeit zwischen dem BND und dem Mossad hat ebenfalls eine jahrzehntelange Tradition. Vertreter des deutschen Dienstes agieren beispielsweise als Mittelsmänner bei Verhandlungen über den Gefangenenaustausch mit arabischen Ländern und Organisationen. Der bewährte Schulterschluß dürfte ein Grund dafür sein, daß die Bundesregierung kaum Protest erhob, als bei dem Anschlag auf einen Hamas-Führer in Dubai auch ein gefälschter deutscher Paß verwendet wurde.

Berlin wird auch sonst in Jerusalem als der engste Verbündete innerhalb der EU betrachtet: Mit den Mitteln der stillen Diplomatie agiert die Bundesregierung als Bremser, wenn es um die nicht ungewöhnlichen antiisraelischen Initiativen verschiedener EU-Länder geht. Gemeinsame deutsch-israelische Kabinettssitzungen – wie sie nur noch mit Frankreich praktiziert werden – haben hingegen rein symbolische Bedeutung, ganz im Gegensatz zur Zusammenarbeit im Wirtschafts- und Wissenschaftsbereich, dem Jugendaustausch oder der Kultur. Bei den Sabbat-Andachten in den Berliner Synagogen machen sich immer mehr israelische Studenten bemerkbar, was manche als den Beginn einer Auswanderungswelle deuten.

Ungelöst bleibt die ebenso heikle Frage der „Kontingentflüchtlinge“, jener jüdischen Auswanderer aus der früheren Sowjetunion, die – aufgrund einer Vereinbarung zwischen Helmut Kohl und dem früheren Zentralratsvorsitzenden Heinz Galinski – nach Deutschland zugewandert sind. Es soll dabei um eine sechsstellige Zahl gehen – zum Mißfallen der Regierung in Jerusalem. Denn deren Staatsräson lautet: Die natürliche Heimat aller Juden der Welt ist Israel.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen