© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/10 12. März 2010

Karlsruhe erschwert Verurteilungen wegen Volksverhetzung
Meinungsfreiheit: Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts verletzt die Forderung nach einer „Ausländer-Rückführung“ nicht automatisch die Menschenwürde
Marcus Schmidt

Die Forderung nach einer „Ausländer-Rückführung“ kann nicht ohne weiteres als Volksverhetzung gewertet werden. Das geht aus einer in der vergangenen Woche veröffentlichten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes hervor.

Drei Mitglieder des Vereins „Augsburger Bündnis – Nationale Opposition“, die im Juni 2002 großformatige Plakate mit der Aufschrift „Aktion Ausländer-Rückführung. Für ein lebenswertes deutsches Augsburg“ veröffentlicht hatten, waren daraufhin vom Amtsgericht Augsburg wegen Volksverhetzung gemäß Paragraph 130 Strafgesetzbuch zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Ihnen wurde vorgeworfen, durch böswilliges Verächtlichmachen eines Teils der Bevölkerung die Menschenwürde angegriffen zu haben.

Nach Ansicht der 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts ist die gerügte Verletzung der Menschenwürde durch die entsprechenden Äußerungen vom Amtsgericht nicht hinreichend begründet worden. Das Urteil, das vom Landgericht und dem Bayerischen Obersten Landesgericht bestätigt worden war, wurde aufgehoben, da die Betroffenen in ihrem Recht auf Meinungsfreiheit verletzt worden seien.

Zwar müsse gegenüber der Menschenwürde das Grundrecht der Meinungsfreiheit stets zurücktreten. Aber bei der Annahme der Beeinträchtigung der Menschenwürde sei eine sorgfältige Begründung erforderlich, heißt es in dem Beschluß. „Ein Angriff auf die Menschenwürde ist nur dann gegeben, wenn der angegriffenen Person ihr Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen Gemeinschaft abgesprochen und sie als unterwertiges Wesen behandelt wird.“ Dem entspreche es, daß die Strafgerichte bei der Parole „Ausländer raus“ nur bei entsprechenden weiteren Begleitumständen von einem Angriff auf die Menschenwürde ausgingen. Dies sei in den verhandelten Fällen jedoch nicht der Fall gewesen. „In dem von den Beschwerdeführern entworfenen Plakat wird nicht die Minderwertigkeit von Ausländern ausgesprochen wie zum Beispiel durch die pauschale  Zuschreibung sozial unerträglicher Verhaltensweisen oder Eigenschaften“, entschied das Gericht. Dem Plakat sei durch die unteren Instanzen ein Sinngehalt gegeben worden, den das Plakat aus sich allein heraus nicht habe.

Eine solche Zuschreibung ergebe sich auch nicht aus der Bezeichnung „Ausländer“ in dem Wort „Ausländer-Rückführung“, das dem Begriffspaar „deutsches Augsburg“ und „lebenswert“ gegenübergestellt wird. Die Worte „Aktion Ausländer-Rückführung“ sagten dies ebenfalls nicht aus. „Zwar macht  das Plakat unmißverständlich deutlich, daß die Initiative der  Beschwerdeführer Ausländer ‘rückführen’ will.“

Erneut an das Amtsgericht verwiesen

Der Umfang und die Mittel,  ob nun beispielsweise durch Anreiz oder Zwang, werde jedoch nicht benannt. Dem Plakat sei nach Ansicht der Richter daher nicht ohne weiteres zu entnehmen, daß Ausländer entrechtet oder zum Objekt gemacht werden sollen beziehungsweise als rechtlos oder Objekt angesehen werden. Der Fall wurde an das Amtsgericht Augsburg zurückverwiesen.

Der Bundestagsabgeordnete und frühere Vorsitzende des Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), gibt sich indes optimistisch, daß trotz des Beschlusses  auch künftig in ähnlichen Fällen Verurteilungen wegen Volksverhetzung erfolgen können. Die Gerichte müßten zukünftig nur darauf achten, auch andere Veröffentlichungen, wie Flugblätter oder Internetseiten, in die Urteilsbegründung miteinzubeziehen, sagte er gegenüber Zeit Online. So sei leicht nachzuweisen, daß Begriffe wie „Ausländer-Rückführung“ letztendlich rechtswidrige Handlungen meinten. Edathy hofft, daß die Augsburger Richter bei ihrer ursprünglichen Auffassung bleiben und erneut gegen die Angeklagten entscheiden werden.

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