© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/10 12. März 2010

„Normale lokale Aggressivität“
Gedenken: Im niedersächsischen Großburgwedel sollte ein Denkmal an alle Opfer des Zweiten Weltkrieges erinnern, doch dann kam die Antifa
Christian Vollradt

Am Anfang war eine Idee: Der Ortsrat im niedersächsischen Großburgwedel bei Hannover hatte beschlossen, das Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs zu ergänzen. Bisher fehlte auf dem Friedhof ein entsprechendes Gedenken für die Opfer des Zweiten Weltkriegs, diese Leerstelle sollte beseitigt werden. Angeregt wurde dies von Bürgern des Ortes, die nicht länger auf eine namentliche Erinnerung an ihre im Krieg gefallenen oder durch Kriegseinwirkung verstorbenen Angehörigen verzichten wollten.

Der Rat stimmte zu, und man begann aus den Totenbüchern der Kirche die Namen zusammenzustellen. Schon früh wandten sich die Kommunalpolitiker an den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge mit der Bitte um Beratung. Dort gab man zu verstehen, daß ein auf gefallene Soldaten beschränktes Gedenken „nicht mehr zeitgemäß“ sei. Schließlich entschied man sich für einen Entwurf aus Steinstelen mit eingefaßten Glasscheiben, auf denen die Namen der Opfer stehen. Gewidmet ist das Mahnmal den „Gefallenen der beiden Weltkriege, allen Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft  sowie von Krieg, Flucht und Vertreibung“.

Auf einem Teil des Mahnmals – dem „Haus der Erinnerung“ – wird der durch Kriegseinwirkung getöteten Zivilisten, im Ort eingesetzter und verstorbener Zwangsarbeiter und der hier nach Flucht und Vertreibung Gestorbenen gedacht, auf dem anderen Teil – dem „Tor der Erinnerung“ – sind die Namen der Gefallenen aufgeführt. Verbindendes Element dieses Gedenkens war der lokale Bezug aller aufgeführten Opfer zu Großburgwedel. Deswegen sollten auch die Namen früherer jüdischer Mitbürger genannt werden, die während der NS-Herrschaft getötet wurden. Dagegen erhob die Jüdische Gemeinde Nieder­sachsen Einspruch. Der Vorsitzende Michael Fürst lobte zwar ausdrücklich die Idee des Mahnmal-Projekts und sprach anerkennend von den Bemühungen der Stadt, wandte aber ein: „Ich hielte es nicht für vertretbar, wenn man die Personengruppen der jüdischen Opfer und der soldatischen Opfer gegenüberstellen wollte und würde Sie bitten, diesen Wunsch zu respektieren.“ Der Ortsrat entsprach diesem Wunsch. Einig war man sich auch über eine die namentliche Nennung der 142 gefallenen Soldaten aus Großburgwedel – darunter fünf Angehörige der Waffen-SS. Zuvor hatte man bei der Wehrmachtsauskunftsstelle in Berlin prüfen lassen, ob sich eventuell Kriegsverbrecher unter diesen Toten befänden. Ergebnis: keine konkreten Hinweise bekannt.

Doch dann, kurz vor Einweihung des Mahnmals, meldete sich im Oktober 2009 die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) aus Hannover mit einer Pressemitteilung unter der Überschrift „Großburgwedel ehrt SS-Männer“ zu Wort. Pikant an der Sache: Mitglied der DIG ist Ortsratsherr Rudolf Gutte (SPD). Und Gutte sei, so Ortsbürgermeister Otto Bahlo (CDU) gegenüber der jungen freiheit, die ganze Zeit über an den Beratungen und Beschlüssen über das Mahnmal beteiligt gewesen. Das Mahnmal von Großburgwedel erfährt damit ein überregionales Echo – sehr zum Mißfallen der Ortsansässigen. Um die feierliche Einweihung nicht zu gefährden, werden sechs Namen am „Tor der Erinnerung“ sicherheitshalber überklebt: die der Waffen-SS-Soldaten und der eines Gefallenen, der Angehöriger des Sicherheitsdienstes (SD) war. Die betreffenden Personen sollen außerdem noch einmal durch die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten überprüft werden. „Könnten Verdachtsmomente nicht entkräftet werden, würden die betreffenden Namen gelöscht“, faßte die Zeitung  Neue Presse die damalige Beschlußlage zusammen.

Wie zu erwarten, marschierten bei der Einweihung des Mahnmals am Volkstrauertag im November Mitglieder der Antifa-Szene aus Hannover auf. Die hätten „wie wild“ die Teilnehmer auf dem Friedhof fotografiert und davor Flugblätter unter dem Motto „Gedenken heißt kämpfen! Deutsche Täter sind keine Opfer! Keine Ehrung für SS und Sicherheitsdienst!“ verteilt. Wenige Tage darauf, am 28. November kurz vor elf Uhr nachts, wurden die Glasscheiben des „Tors der Erinnerung“ dann von unbekannten Tätern zerstört. „Natürlich prüfen wir, ob Tatzusammenhänge mit Personen aus der Antifa-Szene gegeben sind, die Ermittlungen laufen aber auch in ‘alle Richtungen’“, sagte eine Polizeisprecherin gegenüber der JF. Seitdem ist unklar, wie es mit dem 22.000 Euro teuren Mahnmal weitergeht. Mittlerweile hat sich der niedersächsische Landesvorsitzende der Kriegsgräberfürsorge, der ehemalige Kultusminister und frühere Landtagspräsident Rolf Wernstedt (SPD), als „Vermittler“ eingeschaltet: „Burgwedel gehört nicht in die rechte Ecke“, sagt der Ex-Politiker. Jetzt gehe es darum, die „normale lokale Aggressivität“ zu beruhigen. Laut Hannoverscher Allgemeiner Zeitung hofft Wernstedt, daß die „geistige und moralische Kraft“ des Ortsrats zur Klärung ausreichen werde. Aus dieser Äußerung spreche die Arroganz eines Landespolitikers, meint dazu Ortsratsmitglied Karsten Hoppenstedt, der bis 2009 im Europaparlament saß. „Die Klärung läuft“, sagte er der JF. Die Enttäuschung ist den Kommunalpolitikern anzumerken: Alle Namen der gefallenen Soldaten hatte man überprüft, bei keinem gab es einen Nachweis auf die Beteiligung an Kriegsverbrechen. Großburgwedeler, denen es vor allem um einen Gedenkort für die – teilweise weit entfernt begrabenen – Angehörigen geht, haben bereits ihren Austritt aus dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge angekündigt.

An eine Wiederherstellung der zerstörten Glasscheiben ist nicht zu denken, sie würden mit Sicherheit bald wieder kaputtgeschlagen. Als Alternative erwäge man nun Bronzetafeln. Bis zum Volkstrauertag, so die Hoffnung der bürgerlichen Mehrheit im Ortsrat, soll wieder das komplette Mahnmal auf dem Friedhof stehen. „So oder so“, sagt Bürgermeister Bahlo mit einem Seufzen.

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