© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/10 05. März 2010

Streitbares zum Umstrittenen
Hans Globke vor Gericht
Horst Rohde

Es ist kaum zu glauben: Da schreibt ein Journalist fast ein halbes Jahrhundert nach dem Ende des Wirkens von Staatssekretär Hans Globke, dem wegen seiner Tätigkeit als Referent im NS-Ministerium des Innern unter Wilhelm Frick und der dortigen Mitwirkung an den Nürnberger Gesetzen umstrittenen Politiker unter Bundeskanzler Adenauer, ein Buch über diesen und bekennt dabei gleich zu Beginn freimütig naiv oder provozierend, daß seine Darstellung „keine erzählende Biographie“ sein solle, sondern der Versuch, „Globkes Handeln in seinem gesellschaftlichen Umfeld und seinen ideologischen Bezügen erklärbar zu machen“.

Und diesen sich selbst ausgestellten Persilschein nutzt der Autor weidlich aus: Da wird dann logischerweise dem Leser eine wahre Flut von unglaublichen Behauptungen und Unzuträglichkeiten dargeboten, deren einziges Ziel zu sein scheint, zu einem vernichtenden Urteil zu gelangen. Als Quellen werden fast nur „passende“ Informationen aus Archiven oder Publikationen herangezogen. Zwar wird in Einzelfällen auch erwähnt, daß Globke nicht nur negativ zu beurteilen sei; aber selbst dies wird ihm nicht auf der Habenseite angerechnet, sondern gleich mit auf die Schuldseite transferiert. Das alles erinnert an den mit „besorgten“ – das heißt im Mielke-Ministerium eigens hergestellten – Belegen initiierten Schauprozeß gegen Globke in der DDR 1963.

Aber damit noch nicht genug. Nicht nur, daß die Hauptperson dieser „Biographie“, die man durchaus differenziert beurteilen muß, als Personifizierung des Bösen im Vordergrund steht: Auch Personen wie Adenauer oder Pius XII., letztlich die gesamte Bonner Republik der Nachkriegszeit, der Widerstand im Dritten Reich, natürlich die Wehrmacht einschließlich der Bundeswehr und viele andere, die irgendwie und irgendwann einmal im „Dunstkreis“ Globkes gestanden haben, werden mit ihm in den Orkus der allgemeinen menschlichen Verderbtheit befördert.

Fazit: Ein Buch, eher den Erwartungen der politischen Selbstvergewisserung als der historischen Analyse gewidmet, das daher nur den Kommentar verdient: „Si tacuisses ...“.

Jürgen Bevers: Der Mann hinter Adenauer. Hans Globkes Aufstieg vom NS-Juristen zur Grauen Eminenz der Bonner Republik. Chr. Links Verlag, Berlin 2009, gebunden, 200 Seiten, 19,90 Euro

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