© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/10 05. März 2010

„Viele Konservative fühlen sich heimatlos“
CDU-Profi l: Friedrich-Wilhelm Siebeke über den Erfolg der Initiative „Linkstrend stoppen“ und den Anruf des Generalsekretärs
Marcus Schmidt

Eigentlich fehlt jetzt nur noch Angela Merkel. Abgesehen von der CDU-Chefin hat sich fast die gesamte Parteispitze zum „Manifest gegen den Linkstrend“ in der CDU geäußert, mit dem parteiinterne Kritiker gegen die Erosion des konservativen Profils protestieren (JF 9/10). Am Wochenende meldete sich Fraktionschef Volker Kauder zu Wort: Er können einen solchen Linkstrend nicht erkennen, sagte er dem Hamburger Abendblatt. Zudem sei die CDU „keine konservative Partei“. Allein die Tatsache, daß Kauder sich zu dem Thema geäußert hat, scheint den Initiatoren um Friedrich-Wilhelm Siebeke recht zu geben. Im Interview mit der JUNGEN FREIHEIT spricht Siebeke über die Reaktionen auf das Manifest.

Herr Siebeke, sind Sie vom Erfolg der Kampagne „Linkstrend stoppen“ überrascht?

Siebeke: Ja, ich werde laufend angesprochen und habe bisher nur Zuspruch bekommen. Die Resonanz ist großartig, vor allem bei jungen Leuten,

Und wie hat die Partei reagiert?

Siebeke: Ich habe einen Anruf von CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe bekommen. Er hat mir versucht zu erklären, warum es keinen Linkstrend gebe. Dabei verwies er unter anderem auf den Einsatz der Union für das ungeborene Leben. Bei der Asyl- und Abschiebepraxis verwies Gröhe auf die stets ablehnenden Stellungnahmen der Kirchen. Ein weiteres Thema war der Kampf der CDU für das Vertriebenenzentrum und für Erika Steinbach. Obwohl es in einer Koalition notwendig sei, Rücksicht zu nehmen, habe Frau Merkel dennoch Steinbach unterstützt. Am Ende sei eine Einigung erreicht worden, die von Steinbach und von den Vertriebenen mitgetragen werden. Gröhe hat meiner Meinung nach natürlich recht, wenn er darauf hinweist, daß die CDU nicht mit absoluter Mehrheit regiert, sondern auf Koalitionen angewiesen ist. Ich habe aber darauf verwiesen, daß sich trotzdem mittlerweile viele Konservative und viele Christen in der CDU heimatlos fühlen.

Was erwarten Sie denn jetzt von der Parteiführung?

Siebeke: Ich weiß, daß es die Parteiführung in einer Koalition nicht leicht hat. Aber ich erwarte, daß die CDU bei der Öffnung für neue Wählerschichten – die ich nicht für falsch halte, wir sind ja eine Volkspartei – die rechten Wähler nicht vergißt und diese vor allem nicht ausgrenzt. Wichtig ist mir dabei das Stichwort Bandbreite. Wir brauchen auch einen rechten Flügel, der mit den Federn schlagen kann. Ich halte es in diesem Zusammenhang für einen Fehler, daß man nicht versucht hat, Konservative wie den ehemaligen sächsischen Bundestagsabgeordneten Henry Nitzsche in der Partei zu halten.

Wo sehen Sie inhaltliche Probleme?

Siebeke: Was mir fehlt, ist eine klare Frontstellung der CDU gegen die Islamisierungsversuche. Ich finde es etwa bedenklich, daß sogar Steuergelder für die Errichtung der Großmoschee in Duisburg geflossen sind. Etwas anderes beschäftigt mich als Jurist: daß der Rechtsstaat 2008 anläßlich einer Demonstration in Köln gegen die Großmoschee erstmalig außer Kraft gesetzt worden ist und die genehmigte Demonstration verhindert worden ist. Da sind gestandene CDU-Mitglieder von dem damaligen Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma – einem CDU-Mann – als „braune Soße“ bezeichnet worden. Ähnlich war es im Februar in Dresden, wo Ministerpräsident Stanislaw Tillich und die Oberbürgermeisterin Helma Orosz, die beide der CDU angehören, sich an einer Menschenkette beteiligt haben, um eine Demonstration zu verhindern. Dadurch wird der Rechtsstaat ausgehebelt. Das ist etwas Ungeheuerliches.

Verbreitet ist die Forderung nach einer neuen Partei rechts von der CDU.

Siebeke: Wir haben ja aber schon zahlreiche Splitterparteien rechts von der CDU. Es wimmelt dort nur so. Aber ich glaube nicht, daß eine von denen jetzt Erfolg haben kann, obwohl das Potential vorhanden ist. Da hat sich ja ein großer Ballen trockenes Stroh angesammelt, und es braucht nur noch jemand ein Streichholz reinzuwerfen. Dann brennt es lichterloh!

Und was braucht man denn, um diesen Strohballen zu entzünden?

Siebeke: Den Zünder! Und der Zünder kann nur ein charismatischer Politiker sein, ein Populist wie Jean-Marie Le Pen in Frankreich oder einst Jörg Haider in Österreich und bald vielleicht Geert Wilders in den Niederlanden. Es gibt einige Beispiele dafür, daß Parteien durch charismatische Persönlichkeiten ganz entscheidend bewegt wurden. Aber solange es diese Person nicht gibt, halte ich es mit dem verstorbenen Bischof Johannes Dyba, der gesagt hat: „Warum rumort ihr nicht in der CDU?“ Faßt euch doch an die eigene Nase! In der CDU sind ja gewachsene Strukturen vorhanden.

Glauben Sie, daß die CDU-Führung nach Ihrem Aufruf die Gründung einer neuen Partei fürchtet?

Siebeke: Angst ist vielleicht etwas übertrieben, aber man sieht wohl schon die Gefahr, daß sich etwas tut. Sonst hätte man unserem Aufruf nicht soviel Aufmerksamkeit gewidmet. Nicht umsonst ruft mich Herr Gröhe an und verwendet fast eine halbe Stunde seiner wirklich kostbaren Zeit. Man nimmt uns zur Kenntnis, und das wollten wir erreichen.

Was ist jetzt nach diesen Anzeigen als nächster Schritt geplant?

Siebeke: Als nächster Schritt sind weitere Anzeigen geplant, um weiter Unterstützer zu sammeln und um deutlich zu machen, daß es in der CDU nach wie vor einen rechten Flügel gibt. Aber mir ist klar, daß wir Konservativen uns auch an die eigene Nase fassen müssen und nicht allzu schnell alles hinwerfen sollten. Das ist also etwas, was es zu vermeiden gilt: Kämpft in der CDU, rumort in der CDU!

 

Friedrich-Wilhelm Siebeke ist Rechtsanwalt und war CDU-Bundesrichter. Im Verfahren um den Parteiausschluß des Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann veröffentlichte Siebeke ein Sondervotum. www.linkstrend-stoppen.de 

 

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