© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/10 26. Februar 2010

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Falschmeldung
Karl Heinzen

Die von der Deutschen Presse-Agentur (DPA) jüngst verbreitete Meldung, sie habe sich von einem Mitarbeiter wegen eines frei erfundenen Berichts getrennt, scheint ihrerseits nicht manipuliert gewesen zu sein. Dies ist nach den Erfahrungen der zurückliegenden Monate keine Selbstverständlichkeit. So berichtete DPA über ein Selbstmordattentat in den USA, das gar nicht stattgefunden hatte, verbreitete den Ulk, daß drei Asylanten in den Beirat der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung  aufgenommen würden, ungeprüft weiter, meldete den Rücktritt von Republikaner-Chef Rolf Schlierer, der davon überhaupt nichts wußte, und versorgte die Nutzer mit Stimmen zu dem Bundeswehrskandälchen in Mittenwald, die lediglich der Phantasie des nunmehr geschaßten Autors entsprungen waren.

Die Zerknirschung von Deutschlands größter Nachrichtenagentur ist verständlich, da das teuer bezahlte Leistungsversprechen nun einmal lautet, Redaktionen durch zuverlässige Informationen von eigener Recherche zu entlasten. Müßten die Abonnenten jeder Nachricht sicherheitshalber selbst auf den Grund gehen, wären sie überfordert und das DPA-Geschäftsmodell somit hinfällig.

Aus der Sicht der „Endverbraucher“ dürfte sich das Malheur der vier Falschmeldungen in kurzer Folge aber als weitaus weniger gravierend darstellen. Zum einen sind die Falschmeldungen von DPA insofern nicht bedenklich, als sie potentiell hätten wahr sein können. Es ereignen sich immer wieder Attentate in den USA, im Hickhack um die Vertriebenenstiftung kann unterdessen keine noch so absurde Entwicklung ausgeschlossen werden, Rolf Schlierer ist in der Tat als Parteivorsitzender umstritten, und zu dem Vorfall in Mittenwald wird sich sicher der eine oder andere genau die Gedanken gemacht haben, die von der Presseagentur bloß erfunden wurden.

Zum anderen sind die Anforderungen an Qualitätsjournalismus heute längst nicht mehr so unbarmherzig, wie sie es in früheren Zeiten einmal waren. Die Bürger zeigen Verständnis dafür, daß auch Medien wirtschaftlichen Zwängen unterworfen sind und die Erfordernis, Kosten zu sparen, Redaktionen nicht ausklammern kann. Sie scheinen sich vielmehr sogar damit angefreundet zu haben, daß Journalisten ihnen gegenüber weder in der Durchdringung von Sachverhalten noch in der Beherrschung der Sprache einen nennenswerten Vorsprung aufweisen. Und nicht zuletzt sind sie unterdessen durch die Nutzung des Internet daran gewöhnt, daß seriöse Informationen inmitten einer Flut von Klatsch und Nonsens per se unterzugehen pflegen.

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