© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/10 26. Februar 2010

UMWELT
Regionale Eßgewohnheiten
Volker Kempf

Der 77jährige Beppe Bigazzi hat kürzlich in der Kochsendung „La prova del Cuoco“ erläutert, wie man Katzenfleisch zubereitet. Es gebe ja ein Sprichwort: „Wer zu Karneval kein Fleisch hat, soll die Katze schlachten.“ Seiner Ko-Moderatorin Elisa Isoardi verschlug es die Sprache, doch der Fernsehkoch ließ sich nicht beirren: Geschmorte Katze statt Kaninchen oder Taube sei eines der bekanntesten Gerichte aus der Gegend um Valdarno in der Toskana. „Ich versichere dir, das habe ich schon oft gegessen, das ist echt eine Delikatesse.“ Auf den Einwand der 27jährigen Ex-Miss-Italia, daß Tierschützer sich darüber erregen würden, entgegnete Bigazzi: „Warum kümmern die sich nicht lieber um Menschen, das sind doch Rassisten.“ Angesichts der darauffolgenden Empörung wurde Bigazzi vom Staatssender Rai Uno umgehend entlassen.

Kein Tierschützer verlangt, daß man sich nicht um Menschen, sondern nur um Tiere kümmern sollte, wenn Not ist. Aber wenn Italiens oberste Tierschützerin Carla Rocchi meint: „In unseren Breiten ißt man seinen besten Freund und Lebenspartner nicht einfach auf – und damit basta“, so ist das sehr kurz gedacht. Denn warum soll man seine tierischen Freunde nicht, sonstige Artverwandte aber moralisch integer verspeisen dürfen? Diese Rechnung geht nicht auf. Wer Empathie für Katzen propagiert, kann diese nicht einfach für Hasen oder Schweine aufgeben. Das ist auch das Dilemma der Heimtierchenschutzvereine – daß sie nur Tiere achten, die sie knuddeln und streicheln können. Wer ein Heimtier hat, denkt aber zumindest über das Mensch-Tier-Verhältnis nach. Und warum soll man ständig Fleisch essen? Massentierhaltung ist die Folge. Vielleicht präsentiert Elisa Isoardi ja demnächst vegetarische Speisen.

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