© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/10 26. Februar 2010

Aufbruch einst und jetzt
Polen: Messe in der Oppelner Heilig-Kreuz-Kathedrale / Deutsche Minderheit in Schlesien erinnert an organisatorische Anfänge
Martin Schmidt

Am 28. Februar wird in der Oppelner Heilig-Kreuz-Kathedrale mit einer Heiligen Messe der amtlichen Zulassung der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien vor 20 Jahren gedacht. Das Jubiläum ist Anlaß, sich an die schwierigen Anfänge der Deutschen Freundschaftskreise (DFK) im Vorwende-Polen zu erinnern.

In Oberschlesien, wo vor 1989 noch etwa eine Million Deutsche lebten, gab es erst zu Beginn der achtziger Jahre erste Bemühungen zur Sammlung der nach 1945 politisch wie kulturell unterdrückten Minderheit. Damals zeigte sich, daß die von Warschau angestrebte „Rückführung der germanisierten Slawen Oberschlesiens ins polnische Muttervolk“ zumindest teilweise gescheitert war – auch wenn die brachiale Verbannung des Deutschen aus dem öffentlichen Raum die Identität der Oberschlesier nachhaltig schwächte. Jedenfalls war die Frühphase der Herausbildung eigener Minderheitenorganisationen von Selbstbewußtsein, Einsatzbereitschaft, Mut und Geschick bestimmt.

Als im Sog der Erfolge der polnischen Gewerkschaft Solidarność Aktivisten in Roschkau (Roszków) und Benkowitz (Bieńkowice) im Kreis Ratibor erste kleine Vereinigungen von Landsleuten ins Leben riefen, nahm eine Bewegung ihren Anfang, die zum Ende des Jahrzehnts auch das Oppelner Schlesien sowie das Industrierevier erfaßte und immer mehr Dynamik entfaltete. Ein 1984 im Raum Kattowitz gestellter Antrag auf „Registrierung einer ethnischen Minderheit der Deutschen in der Volksrepublik Polen“ wurde noch abgelehnt. Auch der 1985 aus der Taufe gehobene „Deutsche Freundschaftskreis in Schlesien“ als Vereinigung der Untergrundgruppen im Raum Ratibor blieb zunächst illegal. Die Staatsorgane überwachten die unliebsamen Aktivitäten, bedrohten Führungspersönlichkeiten und nahmen sogar einzelne Verhaftungen vor oder erzwangen Aussiedlungsanträge in die Bundesrepublik. Am 16. Januar 1990 wurde der DFK im damaligen Bezirk Kattowitz (heutige Woiwodschaft Schlesien) schließlich doch offiziell zugelassen, wenig später auch die entsprechende Gliederung im Oppelner Schlesien. Pioniere wie Blasius Hanczuch und Johann Kroll erwarben sich große Verdienste; die Mitgliederzahlen der DFKs überschritten allein in Oberschlesien schon bald die Marke von 200.000.

Heute zählt der organisatorische Arm der Minderheit in ihrem landesweit mit Abstand wichtigsten Siedlungsraum nur noch gut 40.000 Mitglieder. Dem Aufbruch der frühen neunziger Jahre war unter Führung Krolls eine Phase der einseitigen Konzentration auf wirtschaftliche Infrastrukturmaßnahmen gefolgt, für die umfangreiche bundesdeutsche Hilfsmittel flossen. Die eigentlich vorrangige sprachlich-kulturelle Identitätsförderung kam viel zu kurz, so daß unter den Deutschen in Oberschlesien noch Enttäuschung, interner Streit und Perspektivlosigkeit das Bild beherrschten.

Erst seit der Übergabe der Verantwortung an Jüngere – Bernard Gaida (JF 22/09) ist seit 2008 Chef des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen (VdG), Norbert Rasch Vorsitzender der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien (SKGD) – ist eine Trendwende zu beobachten.

Bereits im September 2008 konnten erste zweisprachige Ortsschilder aufgestellt werden, die zwar immer wieder beschmiert, beschädigt oder sogar gestohlen werden, aber von enormer psychologischer Bedeutung für die Präsenz der deutschen Sprache im alltäglichen Umfeld sind. Auch die seit Oktober letzten Jahres zunächst in 13 Ortschaften angebotenen „Samstagsschulen“ dienen der Stärkung der unterentwickelten Identität der Heimatverbliebenen (JF 27/09).

Darüber hinaus zeichnen sich sinnvolle bundesdeutsche Hilfsmaßnahmen ab. Während in anderen Politikbereichen der Wechsel von der Großen Koalition zur schwarz-gelben Regierung wenig Änderungen brachte, sind in bezug auf die Berliner Minderheitenpolitik durchaus Fortschritte feststellbar. So dürfte der Bundestag in den nächsten Wochen Haushaltsentwürfen zustimmen, mit denen der deutschen Volksgruppe in der Republik Polen neben 800.000 Euro aus dem Etat des Innenministeriums weitere rund 1,5 Millionen Euro aus dem Auswärtigen Amt für Projekte im Kultur- und Bildungsbereich zugesichert werden. Nachdem das noch immer von Seilschaften aus der Genscher-Zeit geprägte Außenamt über viele Jahre keine Solidarität mit den Landsleuten in den Oder-Neiße-Gebieten mehr praktiziert hatte, ist dies ein erfreuliches Signal.

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