© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/10 26. Februar 2010

Die Frage der sozialen Gerechtigkeit
Ideologische Überhöhung
von Thorsten Hinz

Der Sozialstaatsgedanke ist von Anfang an die „stärkste innenpolitische Potenz“ (Ernst Forsthoff) der Bundesrepublik gewesen. Nicht der Sozialstaat ist fatal, sondern daß er im Laufe der Jahre eine ideologische Überhöhung erfahren hat, weil die BRD – außer der Vergangenheitsbewältigung – über keine andere Staatsideologie verfügt.

Je länger, desto konsequenter wurde aus dem deklamatorischen Bekenntnis eine normative Tendenz abgeleitet: Der Einzelne hat Anspruch auf gesellschaftliche Teilhabe, der nötigenfalls vom Staat durch Sozialleistungen sicherzustellen ist. Eine Spirale wurde in Gang gesetzt, an deren Ende die Angehörigen der Mittelschicht häufig über weniger Geld verfügen als die Anspruchsberechtigten, die durch ihre Steuern finanziert werden. Eine schrankenlose Sozialstaatsethik sabotiert die Arbeitsethik und fördert die Asozialität.

Guido Westerwelle kritisiert die Asozialität von unten. Gleichzeitig wirkt er an der Asozialität von oben mit. Kritik an Hartz-IV-Betrügern ist demagogisch, wenn man zu kriminellen Bankgeschäften und zur milliardenschweren Griechenland-Beihilfe schweigt und überdies den Beitritt der Türkei zur EU – und damit zum deutschen Sozialsystem – aktiv betreibt.

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