© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/10 19. Februar 2010

Bolognas wissenschaftliche Betriebsprüfer
Organisation und Personalführung, Planung und Kontrolle: Der Demokratisierung folgt die Ökonomisierung auf dem Fuße
Oliver Busch

In Bologna unterschrieben 1999 ein Parlamentarischer Staatssekretär und eine Landeswissenschaftsministerin, als nicht eben hochrangige deutsche Emissäre, für die Bundesrepublik eine Erklärung mit dem harmlos klingenden Titel „Der Europäische Hochschulreform“. Daß sie damit eine – nach der „Demokratisierung“ und 1968 – „zweite große Hochschulreform“ hierzulande auslösen würden, war damals wohl niemandem bewußt.

Und keiner unter den europäischen Bildungspolitikern schien sich auch klargemacht zu haben, welche revolutionären Umbrüche gerade den deutschen Universitäten bevorstanden. Mit Macht ist diese in Bologna beschlossene „Einführung eines Systems leicht verständlicher und vergleichbarer Abschlüsse“ über die deutschen Professoren und Studenten erst in den letzten drei Jahren hereingebrochen.

Im Gegensatz zu der überwiegenden, im „Bildungsstreik“ des letzten Wintersemesters noch einmal bekundeten Ablehnung, auf die die Verschulung und Ökonomisierung des Studiums nach den Vorgaben von Bologna gestoßen ist, zeigt sich der Hochschulforscher Hans-Ulrich Küpper an der Ludwig-Maximilians-Universität München von der Notwendigkeit und Unumkehrbarkeit dieser „Effizienreform“ überzeugt. Der Betriebswirt Küpper argumentiert dabei knochenhart „betriebswirtschaftlich“. Seine Schaubilder und Statistiken lassen erwarten, daß demnächst in jedem Seminar und Labor ein Betriebsprüfer mit Fragebogen und Stoppuhr auftaucht (Beiträge zur Hochschulforschung, 4/09).

Obwohl Küpper es für nicht „zweckmäßig“ hält, die auf Humboldt zurückgehende Tradition der Kombination von Forschung und Lehre „völlig“ einer „Ökonomisierung und Amerikanisierung“ zu opfern, scheint er mit seinen „Strukturmodellen“ und nahezu militärisch klingenden Konzeptionen über den „Ausbau des Führungssystems der Hochschule“, „Organisation und Personalführung“ oder „Planung und Kontrolle“ Bologna mit deutscher Gründlichkeit exerzieren und auf dem Campus ein strenges Reglement einführen zu wollen.

Zu Küppers sich „strategisch“ gebender „Organisation“ mit ihren „Controllingsystemen“ zählt natürlich auch das, was bei ihm „Differenzierung“, bei Kritikern „Auslese“ heißt. Die „Neugestaltung des Studiums“ habe zu einer Abkehr vom Zentralismus der alten Bildungsbürokratie geführt. „Attraktive Fakultäten und Hochschulen erhielten dadurch die Möglichkeit, die für sie geeigneten Studenten auszusuchen.“ Eine solche „dezentrale Auswahl“ habe etwa bei den Betriebswirtschaftlern in München und Tübingen dazu geführt, daß die allein zugelassenen Studienanfänger mit sehr guten Abitur-Durchschnittsnoten auch im Grundstudium höhere Leistung brächten.

Ausgangspunkt der Küpperschen Planungsperspektiven für eine „umfassende Strukturreform“, die selbstverständlich auch die Hochschullehrerschaft ökonomischen „Bewertungskriterien“ unterwirft, ist eine ominöse, schon die Bologna-Erklärung formatierende Idee von „Wettbewerb“. Küppers auf „Effizienzsteigerung fixierte „Controlling“-Euphorie nennt dafür keine inhaltlichen Kriterien. Nirgends läßt er durchblicken, welchen durch Globalisierung ausgelösten „neuen Anforderungen“ das alte System nicht mehr gewachsen war.

Offenbar hätte doch 1999 der für eine Industrienation so unerläßliche Nachwuchs an Naturwissenschaftlern, Medizinern, Technikern und Ingenieuren Küppers Evaluierung locker überstanden und seine angedrohte „outputbezogene Budgetierung“ nicht fürchten müssen. In manchen ideologisierten kulturwissenschaftlichen Disziplinen mag das anders ausgesehen haben. Aber stehen Gender-„ForscherInnen“, egal ob mit oder ohne Bologna, überhaupt je in irgendeinem „Wettbewerb“? Oder geht es bei „Bologna“ darum, solche im Ursinne des Wortes nicht wettbewerbsfähigen Fächer abzuschaffen?

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