© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/10 19. Februar 2010

Das Schreckgespenst Inflation verjagen
Stefan Riße weiß, wie man sich vor einer Enteignung durch Geldentwertung schützen kann – am besten mit seinen Anlageprodukten
Marco Meng

Die Frage jedes Sparers lautet: „Ist mein Geld sicher?“ Riße meint, daß die Kaufkraft des Geldes massiv schwindet, weil fast sämtliche Industriestaaten sich in eine wahre Schuldenorgie gestürzt haben. Milliarden, ja sogar Billionen wurden ausgegeben, um die Finanzkrise und ihre Folgen abzufedern. Langfristig, so Riße, gebe es nur einen Ausweg, um die Staatspleite führender Industrienationen abzuwenden: die schleichende Geldentwertung.

Riße schlägt in seinem vor allem für interessierte Laien geschriebenen Buch – gemäß seiner Feststellung, daß die Geschichte der Wirtschaft auch eine von großen und kleinen Krisen ist – einen Bogen von der Funktion des Geldes über Wirtschaftsethik und das Platzen der Kreditblase bis zur Finanzarchitektur von morgen. Doch leider ist gerade dieses Kapitel eher dürftig ausgefallen. Daß das System der Aktiengesellschaften und des Wirtschaftens mittels Aktienhandels nicht in Frage gestellt und demzufolge auch keine Alternativen dazu aufgezeigt werden, ist verständlich: der Autor ist nicht nur Wirtschaftsjournalist, sondern auch Chef der deutschen Niederlassung eines sogenannten „Market Maker“. Letztlich ist es da nur folgerichtig, wenn Riße dafür wirbt, daß Privatanleger in Sachwerte wie Gold und Aktien investieren.

Daß die Fehler, die zu der jüngsten Krise führten, in der Vergangenheit liegen, ist zwar richtig, doch die Schlußfolgerung, daß sie damit auch nicht mehr korrigierbar seien, muß man nicht teilen. Jedem ist klar, daß nun vor allem nach der Krise, die mit einer Flut von Geld bekämpft wurde, Zinsen auf absehbare Zeit niedrig bleiben; ob das aber wirklich zu einer wie von Riße prognostizierten Inflation führen muß, die den „kleinen Sparer“ hart trifft, ist nicht zwangsläufig. Krisenauslöser, so konstatiert der Autor, war vor allem eine Überschuldung von Verbrauchern, Unternehmen und Banken in vielen Teilen der Welt. Und diese Ursachen sind bisher tatsächlich in keiner Weise beseitigt worden.

Ist es also möglich, eine durch Rekordverschuldung ausgelöste Krise mit noch mehr Schulden zu bekämpfen? Auf den Punkt bringt er das Problem am keynesianischen Ansatz: In wirtschaftlich guten Zeiten werden die Staatsschulden nicht wieder abgebaut werden, wovon Keynes in seiner Theorie aber fest ausging.

Einerseits rügt Riße nun die Spekulationswut, die spätestens im Jahr 1999 in Deutschland Einzug gehalten habe, doch bei dem grassierenden Börsenfieber „sah kaum jemand auf die häufig eher dürftigen Zahlen zu Gewinn und Umsatz“. Andererseits ist der Aktienhandel aber auch heute mehr Spekulationsgeschäft denn ökonomisches Handeln, und über Mechanismen, dies zu korrigieren (wie beispielsweise durch eine gesetzliche Sperrfrist, die zwischen Kauf und Verkauf von Unternehmensanteilen liegt, um Spekulationen zu verhindern), verliert der ehemalige Broker Riße kein Wort.

Riße bezeichnet es als „ein Beispiel, das Schule machen sollte“, wenn Siemens von seinem Ex-Vorstandschef Heinrich von Pierer Schadensersatz verlangt. Dem mag man ebenso zustimmen wie seiner Aussage, daß „im Prinzip (...) jeder Vollidiot einen Markt in die Höhe treiben“ kann und ein gut ausgebildeter Ingenieur für eine Volkswirtschaft einen höheren Wert hat als eine Horde von Zahlenjongleuren. Wenn Riße hingegen meint, „wir brauchen kein neues Währungs- und Finanzsystem“ – widerspricht er damit nicht seiner Aussage, es müsse darüber nachgedacht werden, wie Finanzkrisen dieses Ausmaßes zukünftig vermieden werden können?

Wenn die Investmentbank Goldman Sachs im Jahr 2009 das beste Ergebnis ihrer 140jährigen Firmengeschichte erwartet, bedeutet das auch exorbitante Boni, die damit gezahlt werden. Sie seien der Antrieb dafür, „daß der Markt bereits wieder erste Anzeichen von Überhitzung zeigt“. Hier kritisiert Riße, sich an den kleinen Sparer wendend, zwar Fehler des Systems, aber nur insoweit, als daß man dem Sparer nahelegen kann, sein Geld in Sachwerte anzulegen, um es vor Geldentwertung zu schützen. Könnte der Fehler im System aber nicht viel grundlegender sein? Wer allerdings diese Frage beantworten will, muß sich mit den Schriften des Wirtschaftswissenschaftler Fredmund Malik auseinandersetzen, der den Götzen des Shareholder-Value, also die einseitig auf die Interessen der Aktionäre ausgerichtete Unternehmensführung, kritisiert, oder des Wirtschaftswissenschaftlers Bernd Senf, der dem Zinssystem und dem daraus resultierenden Verlangen nach immer mehr Wirtschaftswachstum kritisch gegenübersteht.

Rißes Buch, eine gut lesbare, knappe Beschreibung des Geschehens und seiner Vorgeschichte, läßt leider eine gründliche Analyse und ein Aufzeigen von Alternativen vermissen. Wichtige Sachverhalte werden zwar komprimiert erklärt, doch kritikfrei zuzustimmen braucht man nicht. Die Strategie, eine Inflation durch Anlage in Aktien und Gold zu überstehen, ist zumindest nichts Neues. Am Ende des Buches, wenn Riße das Anlageprodukt „Gold CFDs“ als „hochinteressant“ anpreist, verrät er: „Sie werden nicht an einer Börse gehandelt, sondern auf der Plattform eines CFD-Anbieters. Mein Arbeitgeber, das britische Unternehmen CMC Markets, ist Marktführer in diesem Geschäft in Deutschland.“

Stefan Riße: Die Inflation kommt. Und wie Sie sich jetzt schon schützen können. FinanzBuch Verlag, München 2010, gebunden, 293 Seiten, 19,90 Euro

Foto: Schubkarre mit Geldnoten: Geldentwertung als letzter Ausweg, um die Staatspleite führender Industrienationen abzuwenden

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