© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/10 19. Februar 2010

Ein entschiedenes „Nein“
Kindesmißbrauch in der katholischen Kirche: Angesichts von bundesweit über einhundert Verdachtsfällen wird auch wieder über das Zölibat diskutiert
(tha/idea)

Wenn am kommenden Montag die Deutsche Bischofskonferenz in Freiburg zu ihrer Frühjahrs-Vollversammlung zusammentritt, wird weit mehr als das Hauptthema „Die alternde Gesellschaft als Herausforderung für die Kirche“ ein anderes im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehen: der Umgang mit sexuellem Mißbrauch in Einrichtungen der katholischen Kirche.

Seit jüngst zahlreiche Fälle von Kindesmißbrauch durch katholische Ordensleute und Geistliche bekannt wurden, erhitzt das Thema die Gemüter. An etwa dreißig Schülern sollen sich zwei Lehrer einer katholischen Eliteschule in Berlin, des Canisius-Kollegs, in den 1970er und 1980er Jahren vergangen haben. Auch an Jesuiten-Schulen in Hamburg, St. Blasien im Schwarzwald und im Bistum Hildesheim sei es zu sexuellen Übergriffen gekommen. Die Vorwürfe reichen von Schlägen auf den nackten Po bis zum gemeinsamen Duschen von Schülern und Lehrern. Laut Presseberichten sollen es inzwischen in den 27 deutschen Bistümern mehr als einhundert Verdachtsfälle sein.

Debatte über Zölibat und Sexualmoral

Angesichts der Mißbrauchsfälle wird auch wieder über das Zölibat diskutiert. Manche Experten führen die Verfehlungen auf die von Priestern und Ordensleuten geforderte Ehelosigkeit zurück. So rät der an der Jesuiten-Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main lehrende Theologe und Religionssoziologe Friedhelm Mennekes Eltern davon ab, ihr Kind zu einem Priester schicken: „Trauen Sie keinem Pfarrer.“ Katholische Theologen hätten es nicht gelernt, sich zu einer reifen erotischen Persönlichkeit zu entwickeln und gleichzeitig gemäß ihrer Keuschheitsverpflichtung ein entschiedenes „Nein“ zu gelebter Sexualität aufzubauen. Später würden ehelose Priester für Versuchungen anfällig. Dagegen weist der Leiter des deutschen Dienstes von Radio Vatikan, Bernd Hagenkord, darauf hin, daß sich die meisten Mißbrauchsfälle in Familien ereignen. Es handele sich daher nicht um ein spezielles Phänomen unter katholischen Geistlichen.

Scharfe Kritik an der katholischen Kirche und ihrer Sexuallehre übte der Schwulen-Lobbyist Volker Beck. Dem Papst warf er eine „falsche Sexualmoral“ vor und der Kirche „Vertuschung“. Ausgerechnet Beck! Der Grünen-Politiker gehört einer Partei an, die 1985 im Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen für eine Entkriminalisierung von Kindersex eintrat und behauptete, Sex mit Kindern sei „für beide Teile angenehm, produktiv, entwicklungsfördernd, kurz: positiv“.

Die Deutsche Bischofskonferenz erwägt unterdessen Änderungen in der Ausbildung und Begleitung der Priester. „Wir müssen uns fragen, ob die Leitlinien der Bischöfe von 2002 zum Vorgehen bei sexuellem Mißbrauch durch Geistliche bereits optimal umgesetzt werden“, sagte der Sekretär der Bischofskonferenz, Pater Hans Langendörfer, der Frankfurter Rundschau. In den Leitlinien „Zum Vorgehen bei sexuellem Mißbrauch Minderjähriger durch Geistliche“ heißt es unter anderem zu den präventiven Maßnahmen in der Aus- und Fortbildung von Geistlichen: „Auch unterhalb der Schwelle strafrechtlicher Handlungen kann es Verhaltensweisen im pastoralen oder erzieherischen Umgang mit Kindern und Jugendlichen geben (z. B. Distanzlosigkeit oder vertrauliche Berührungen), die zu meiden sind. Wenn im Einzelfall Anlaß zu der Sorge besteht, daß ein Verhalten auf pädophile Neigung hinweist, wird eine diagnostische Abklärung durchgeführt.“

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