© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/10 19. Februar 2010

Geist der Loyalität
Vaterlandsheld: Andreas Hofers Spuren in Welschtirol
Sebastian Henig

Der Tiroler Wirt und Freiheitskämpfer Andreas Hofer, dessen Hinrichtung vor genau zweihundert Jahren am 20. Februar 1810 stattfand, arbeitete als junger Mann von 1785 bis 1788 als stalliere am Ballino-Paß, um die Welschtiroler Mundart zu erlernen. Ballino ist eigentlich eine deutsche Insel im einstigen Fürstbistum Trient wie auch das Fleimstal, wo sich zuerst im März 1809 Aufruhr gegen die Bayerische Militäraushebung regte, oder der Nonsberg, wo Hofer zuvor schon in Cles ebenfalls zu seiner Ausbildung weilte.

Ballino hat seit je zwei Herbergen. Hofer wählte für seinen Aufenthalt die Osteria Armani und nicht den deutschen Gasthof „Zur Krone“. Italienisch abgefaßte Verlautbarungen des Kommandanten Hofer wie das Dekret „Amatissimi Tirolesi Italiani“ von 1809 wenden sich gezielt an die italienischen Welschtiroler. Abgedruckt sind diese Texte nun im Anhang des Büchleins „Andreas Hofer Trentino“, in dem der Historiker Graziano Riccadonna ausführlich die Spuren und Bezüge Hofers in Welschtirol nachzeichnet. Die Autonome Provinz Trento hat die Broschüre herausgegeben und verteilt sie kostenfrei.

Das große Jubiläum der Erhebung gegen die Fremdherrschaft von 1809 wurde in Trento zum Anlaß genommen, die in Südtirol immer zwiespältig empfundene Doppelautonomie neu auszudeuten. Die treibende Kraft hinter diesen Bestrebungen ist der Landesrat Franco Panizza. Er ist Assessor für Kultur und europäische Angelegenheiten der Provinz Trento und Vorsitzender des Partito Autonomista Trentino Tirolese (PATT), einer regionalen christdemokratischen Zentrumspartei mit föderalistischen und autonomistischen Programm. Als der PATT 2006 eine Gemeinschaftsliste mit der SVP einging, wurde zum ersten Mal einer seiner Politiker ins römische Abgeordnetenhaus gewählt. Auch bei der zurückliegenden Wahl bewährte sich das Bündnis.

Panizza agiert vorsichtig und klug aus dem soliden Geist altösterreichischer Loyalität, wie sie im Trientiner Gebiet stets verbreitet war. Ein wirkungsvolles Symbol war die Widmung des Andreas-Hofer-Platzes in Ballino. Der kleine Ort zwischen den Bergen oberhalb des Gardasees versammelte an einem Sonntag im vergangenen Sommer Abordnungen von 24 Schützenkompanien aus allen Teilen Großtirols von Innsbruck bis Rovereto, von Brixen bis Cortina, Tiroler Kaiserjäger und offizielle Vertreter aus Innsbruck, Bozen und Trient. Die Brixener feuerten eine Ehrensalve, es gab einen Festgottesdienst mit Fahnenweihe, und unter der Respektbezeugung der Schützen legte italienisches Militär am Gefallenendenkmal einen Kranz nieder.

Dabei verlief im Vorfeld nicht alles harmonisch. Einige Häuser des kleines Ortes zeigten am Tag der Feier trotzig die italienische Trikolore. Auch hier sind Lokalpolitik und Privathändel auf kauzige Art verflochten: Der einstige Lebengefährte der Bürgermeisterin von Ballino-Fiavé, der früher auch einmal dieses Amt innehatte, veröffentlichte einen Tag vor der Feier eine Kolumne in der Tageszeitung L’Adige, in der er gegen die Widmung polemisierte: „Ein Platz für einen Banditen?“

Auch ein geplantes Hofer-Wandbild am Platz konnte nicht ausgeführt werden, da die Eigentümer des betreffenden Hauses ihre Zustimmung versagten. Um so anrührender geriet ein Bild nach einer alten Postkarte von der Schlacht am Bergisel, gemalt von Mutter und Tochter der ortsansässigen deutsch-italienischen Familie Schneider-Sassoni, die über viele Generationen die Gastwirtschaft „Corona“ betrieben hat. Carmen Schneider fügte die majestätische Brenta-Gruppe in den Hintergrund, ihr Lieblingsmotiv der umgebenden Landschaft. Ihre Tochter Sabrina hat als professionelle Sängerin, von einer Harfenistin aus der Nachbargemeinde begleitet, mehrfach mit viel Beifall das Programm „Andreas Hofer e le musiche dei suoi tempi“ dargeboten. Zum Ende des Festgottesdienstes sang sie das Ave Maria von Mozart.

Für die Geschichte Tirols war das Gebiet um den nördlichen Gardasee von großer Bedeutung. Im April 1809 eroberten die Schützenkompanien gemeinsam mit den kaiserlichen Truppen Trient und nahmen anschließend Rovereto ein. Es war die erste Aktion, in der die Schützen nicht mehr bloß zur Verstärkung regulärer Truppen dienten, sondern selbständig vorgingen.

Die Europaregion Nordtirol, Südtirol, Trentino beschwört, daß die einst absichtsvoll von außen geschürten Zwiste nun von den Säumen her verheilen mögen. Das wird nicht immer einfach sein, ist aber ohne Alternative, wie Panizza in seiner Festrede in Fiavé betonte: Die Gefährdung der Eigenständigkeit erfordert wie vor zweihundert Jahren ein übernationales Bündnis.

In diesem Sinne erinnern sich auch die Mantuaner an den „General barbone“, für den sie, wie der machtlose Verteidiger im Scheinprozeß, Basevi, schreibt, „den Kopf verloren“ hätten und ein beachtliches Lösegeld von 5.000 Scudi aufboten, als er in ihrer Stadt „in Banden“ lag.

Als der Vizekönig Eugène Napoleon (Beauharnais) sich für Hofer einsetzte, schrieb Napoleon ihm: „Mein Sohn! ... verfüge augenblicklich die Bildung einer Militärkommission, die ihn aburteilen und erschießen lassen soll an dem Ort, wo Dein Befehl eintrifft. All dies innerhalb vierundzwanzig Stunden.“

Der Feldwebel Eiffes, ein gebürtiger Luxemburger, brachte es nicht über sich, den Feuerbefehl zu kommandieren. Hofer erteilte ihn schließlich selber. Im Lied heißt es: „Gebt Feuer! – Ach wie schießt ihr schlecht!“ Die Grenadiere waren so erschüttert und erschrocken darüber, daß sie fehlten. Eiffes gab Hofer den Gnadenschuß.

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