© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/10 19. Februar 2010

CD: Metal
Zaubertrank
Jörg Fischer

Wir befinden uns im Jahre 2010 n. Chr. Aus dem Norden hat eine hochdeutsche Invasion eingesetzt. Die ganze Schweiz ist zudem von rappenden Minarett-Erbauern überfremdet... Die ganze Schweiz? Nein! Eine von unbeugsamen Kelten gebildete musikalische Widerstandsgruppe hört nicht auf, den kulturfremden Eindringlingen Paroli zu bieten. Und das Leben ist nicht mehr so leicht für die zeitgeistigen Legionäre, die als Musikimperialisten in den Zentralen der Medienkonzerne sitzen ...

So könnte man in Anspielung auf aktuelle Ereignisse und in Abwandlung der Einleitung der „Asterix“-Bände die Erfolgsgeschichte der schweizerischen Gruppe Eluveitie (www.eluveitie.ch) erzählen, die seit acht Jahren keltische Volksmusik mit harten Metal-Klängen zu einem musikalischen Zaubertrank verrührt, der immer mehr Anhänger findet. Das Besinnen auf die Lyrik und Melodien der eigenen Vorfahren ist im Metal-Genre zwar nichts Neues. Corvus-Corax, In Extremo oder Schandmaul feiern mit ihrem deutschen Mittelalter-Metal seit Jahren große Erfolge, skandinavische Viking-Metaller singen in der jeweiligen Muttersprache und vertonen altnordische Weisen. In Finnland vereinen Moonsorrow (JF 10/07) und Ensiferum finnische Volkslieder mit Metal. Finntroll oder Korpiklaani setzen auf traditionelle Humppaklänge. Arkona aus Rußland bedienen sich ebenfalls ihres musikalischen Erbes.

Das von Sänger und Multiinstrumentalist Christian „Chrigel“ Glanzmann 2002 als Studioprojekt gegründete Oktett Eluveitie orientiert sich speziell an den keltischen Helvetiern, die Namensgeber der lateinischen Staatsbezeichnung sind: Confoederatio Helvetica. Nachdem voriges Jahr mit „Evocation I – The Arcane Dominion“ ein erstes Akustik-Album ohne elektrisch verstärkte Gitarren veröffentlicht wurde, setzen Eluveitie nun wieder auf ihre bewährte Mixtur aus Tradition und Moderne, die schon auf den Vorgängerwerken „Spirit“ (2006) und „Slania“ (2008) hörenswert zelebriert wurde. „Everything Remains (As It Never Was)“ erscheint – trotz angeblicher deutsch-schweizerischer Animositäten – erneut bei der schwäbischen Produktions- und Vertriebsgesellschaft Nuclear Blast, die mit Eluveitie wohl ein weiteres Mal den richtigen geschäftlichen Riecher gehabt hat.

Die dreiviertelstündige musikalische Reise in die Welt der helvetischen Mythen und Melodien beginnt nach einer kurzen Einleitung mit dem Titelstück des Albums, das wie das nachfolgende „Thousandfold“ alle Markenzeichen von Eluveitie vereint: Glanzmanns rauhen Gesang, die harten Gitarrenriffs von Ivo Henzi und Simeon Koch einerseits sowie als musikalischen Kontrast das Flötenspiel von Patrick Kistler und die weiblichen Stimmen von Meri Tadić und Anna Murphy, die zugleich für die schottisch-irischen Violinenklänge beziehungsweise die teilweise melodieführende Drehleier zuständig sind.

Auch die Instrumentstücke „Setlon“ und „Lugdūnon“ passen sich perfekt in das eingängige und abwechslungsreiche Konzept ein – „Everything Remains“ ist das bislang am besten gelungene Eluveitie-Album. Ab diesem Wochenende wird es übrigens auch auf einer vierwöchigen Europa-Tournee präsentiert – zusammen mit Finntroll, Dornenreich und Arkona.

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