© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/10 19. Februar 2010

Humoristische Lockerungsübungen
Umweltliteratur: Mit Gedichten und Karikaturen zum ökologischen Gleichgewicht / Provokationen gegen die politische Korrektheit
Volker Kempf

Witze sind Ausbruchsversuche aus dem rationalen Gehäuse und festgefahrenen Normen. Solche Ausbruchsversuche findet allerdings nicht jeder zum Lachen. Nicht nur, daß Humor auf unterschiedliche Geschmäcker trifft, über die zu streiten bekanntlich müßig ist. Nein, Witze kommen meist bei jenen schlecht an, denen sie gelten. Denn wer lacht schon gerne über sich selbst?

Das Erzählen von politischen Witzen, die SED- oder Sowjetfunktionäre auf die Schippe nahmen, konnte zur Bekanntschaft mit der DDR-Strafjustiz führen. Manche Westdeutsche können heute oft nicht lachen, weil sie merken, daß der Spott einer „DDR-light“ namens Bundesrepublik Deutschland gilt, in der sie so wohlig ihre Karrieren eingerichtet haben. Da hört der Spaß auf.

Sind Denkschablonen mit einem Lächeln zu lockern?

Und Witze zum Thema Natur und Umwelt, die ernst gemeint sind – wer hat da etwas zu lachen? Wahrscheinlich nur Menschen mit Interesse an Fragen der Ökologie. Das neue Buch mit dem Titel „Öko-Balance“ ist noch etwas spezieller und widmet sich in humoristischen Gedichten dem Zusammenhang zwischen Ökologie und Bevölkerungsentwicklung. Auch da gibt es genug ungeschriebene Regeln der politischen Korrektheit, die dazu einladen, sie mit einem Lachen zu sprengen.

Denn die sogenannten Progressiven reden am liebsten gar nicht über das Thema, sondern lieber von Emanzipation und dem fünften Rad am Wagen – den Kindern, die am besten in Kinderkrippen- und Schulhorte sollen. Auf der anderen Seite so manche Konservative, die mehr Kinder wollen, nur nicht so sehr in den Kinderhorten, sondern in den Familien. Die Ökologen, die meinen, die Fixierung auf die Kinderzahl sei überhaupt unökologisch, sitzen da zwischen allen Stühlen. Harmlos noch das kürzeste und damit am leichtesten in Zeitungsspalten unterzubringende Gedicht „Langfristig denken“: „Langfristig denken würd’ sich lohnen. / Man tät die Umwelt besser schonen.“

Dagegen ist das Gedicht „Beste Wirkung“ schon eher eine Anleitung, eingefahrene Denkschablonen mit einem Lächeln zu lockern: „Ja selbst die Umweltschutzverkünder / Sind irgendwo auch kleine Sünder. Und jede Umweltsünd’ wird zum Problem, / Wenn viele Menschen sie begeh’n // Drum laßt uns beste Wirkung denken. / Sie heißt: Geburtenzahl senken.“

So weit, so gut – sieht man davon ab, daß an einer Stelle die Künstlerfreiheit mit der Gleichsetzung von Zivilisation und Kultur etwas weit geht. Denn zur Behebung der Ökologiekrise bedarf es zwar mehr Kultur, aber keinesfalls der Zivilisation bis in die letzten Winkel der Tropenwälder und Tiefenschichten der Weltmeere.

Das Ganze wird noch durch Karikaturen von Dominic Burkhalter flankiert, meist satirisch, teils mehr illustratorisch. So entsteht ein Schmöker, den man von vorne nach hinten und von hinten nach vorne kreuz und quer lesen und betrachten kann und noch immer wieder etwas entdecken wird. Etwas ernster wird es in der Einleitung, in der Erläuterungen zum Thema ökologisches Gleichgewicht vorausgeschickt werden. Im Vorwort empfiehlt Franz Josef Rademacher – „Club of Rome“-Mitglied und Vorstandsmitglied des Forschungsinstituts für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung – den Gedichtband Pädagogen zur Verwendung im Unterricht.

Aber das Buch richtet sich letztlich an eine breite Schicht, wie dem Einband mit einem Schmunzeln zu entnehmen ist: an „Entwicklungshelfer/Innen, Schüler/Innen, Politiker/Innen, Philosophinnen, Philosophen, Sozial Engagierte, Kritische Menschen, Umweltschützer/Innen, Ökonomen, Ökonominnen, Wissenschaftler/Innen“ und natürlich an „Humoristen, Humoristinnen“ und all die anderen sich ach so korrekt bezeichnenden Menschen.

All diese sind es also, die hier gehörig auf die Schippe genommen werden: die sonst so überkorrekten Diskutantinnen und Diskutanten. Freilich besteht die Gefahr, daß es von diesen humorlosen Gesellen so viele gibt, daß nur mehr ein illustrer Kreis von potentiellen Lesern übrigbleibt, der den humoristischen Gedichtband „Öko-Balance“ wirklich zum Schmunzeln findet. Wäre doch gelacht, wenn es anders wäre.

Markus Zimmermann-Scheifele: Öko-Balance – Ein Gedichtband gewürzt mit Humor und Cartoons von Dominic Burkhalter. Gerhard Hess Verlag, Bad Schussenried 2009, broschiert, 90 Seiten, 9,90 Euro

Foto: Burkhalter-Karikatur

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