© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/10 19. Februar 2010

Deutschsein als Hobby
Gutachten: Frankfurt am Main stellt mit seinem Integrationskonzept das gängige Kulturverständnis in Frage
Armin Krach

In Frankfurt am Main tobt derzeit der Streit um ein geplantes Integrationskonzept des städtischen Magistrats. Der primär zwischen den Freien Wählern und den Grünen ausgefochtene Disput hat insofern bundesweite Bedeutung, als sich darin eine epochale Weichenstellung hinsichtlich des Umgangs mit Ausländern in Deutschland ankündigt. Die sehr international geprägte Metropole Frankfurt ist offenbar zum Testgebiet eines neuen „multikulturellen“ Experiments auserkoren worden.

Die Ausgangslage: Den für die Masseneinwanderung der vergangenen Jahrzehnte verantwortlichen Parteien scheinen die Folgen ihrer Entscheidungen zunehmend Kopfzerbrechen zu bereiten. Parallelgesellschaften, Pisa-Schock, Jugendkriminalität, islamistische Bedrohung, die Überlastung der Sozialsysteme sind nicht mehr zu leugnen, selbst wenn die Ursachenbenennung klein gehalten wird. Der rettende Strohhalm scheint ihnen nun durch sogenannte „Integrationskonzepte“ geboten.

Der „Multikulturalismus“ hat eine Verpuppung erfahren

In Frankfurt wurde im Oktober vergangenen Jahres ein derartiges Konzept der Öffentlichkeit vorgestellt. Urheberin ist die Integrationsdezernentin Nargess Eskandari-Grünberg (Bündnis90/Die Grünen). Bereits 2007 hatte sie von sich reden gemacht, als sie Bürgern des Stadtteils Hausen, die sich über einen dubiosen Moscheebau besorgt zeigten (JF 42/07), den Rat erteilte, doch einfach wegzuziehen, wenn ihnen die Entwicklung nicht passe. Für das neue Integrationskonzept wird derzeit unter dem Motto „Vielfalt bewegt Frankfurt“ Werbung gemacht, zahlreiche Veranstaltungen in ausgewählten Örtlichkeiten sollen angeblich der öffentlichen Diskussion dienen.

Als publizistisches Sprachrohr der dahinter stehenden Tendenzen hat sich mittlerweile die Frankfurter Rundschau positioniert, deren tendenziöser Lokalressort-Leiter Matthias Arning seit Wochen wiederholt harte Attacken gegen den Eskandari-Kritiker und Fraktionsvorsitzenden der Freien Wähler, Wolfgang Hübner, veröffentlicht. Doch schon der doppeldeutige Name des Eskandari-Konzepts macht stutzig, lautet er doch „Entwurf eines Integrations- und Diversitätskonzepts für die Stadt Frankfurt am Main“.

Dies war ein Grund für die oppositionellen Freien Wähler, eine Expertise über die Inhalte des Papiers in Auftrag zu geben. Vier Monate analysierte der Kommunikationswissenschaftler Andreas Kämmerer das „Eskandari-Konzept“. Das Ergebnis seiner nun vorliegenden Studie führt zu eindeutigen Erkenntnissen: Der „Multikulturalismus“ hat offenbar eine Verpuppung erfahren und bereitet unter dem harmlos erscheinenden Schlagwort „Vielfalt“ einen neuen Angriff auf das bislang noch gängige Kulturverständnis in Deutschland vor.

Dahinter steckt eine radikale Ideologie, die ein globales Gesellschaftsexperiment initiieren möchte, an dessen Ende eine Art Weltgesellschaft aus Weltbürgern sowie die Beseitigung jeder nationalen und kulturellen Einbettung von Menschen stehen soll. Frankfurt dient als ideales Terrain für den Testfall. Die Expertise weist nach, daß die  Bürgerbeteiligung hierzu ein Popanz ist, der der demokratischen Scheinlegitimation dient. Am Gros der Bürger geht das Eskandari-Konzept völlig vorbei, sei es zum Beispiel wegen mangelnden Internetzugangs, fehlender Information über die Existenz des Papiers oder dessen kompliziert-wissenschaftlicher Sprache. Auch die zugehörige Veranstaltungsreihe findet primär in gutbürgerlichen Kultureinrichtungen statt und ist von den Kapazitäten gar nicht auf größere Bürgerbeteiligung ausgerichtet. Experten und wenige Interessierte diskutieren unter sich, können dies dann aber als demokratischen Willensbildungsprozeß ausgeben.

Obwohl es sich angeblich um ein „Integrationskonzept“ handeln soll, ist fast nirgendwo von Integration die Rede. Auffallenderweise enthält das ganze Papier nicht einmal eine Definition von Integration. Statt dessen steht „Diversität“ im Vordergrund. Das Problem des Scheiterns „multikultureller“ Ideen, die Existenz von „Parallelkulturen“, wird also nicht mehr durch Integration, sondern schlicht durch Gedankenveränderung, durch verordnete Wahrnehmung in den Köpfen der Bürger „gelöst“.

Wenn man etwa verbreitet, daß es gar keine Kulturen mehr gibt, dann gibt es dadurch auch keine problematischen Parallelkulturen mehr. Übrig bleiben zukünftig nur noch unterschiedlichste, miteinander kommunizierende Milieus, Hobbygemeinschaften (zum Beispiel Hip-Hopper, Briefmarkensammler, Mercedes-Fahrer, Kirchgänger), aus deren beliebiger Kombination sich Menschen dann ihre jeweils eigenständige transnationale „multiple Identität“ basteln. Deutsche, die sich noch ihrer Kultur verhaftet fühlen, müssen sich demnach zukünftig selber in die neue Gesellschaft integrieren.

Die spontanen Reaktionen der etablierten Parteien auf die Kritik der Frankfurter Freien Wähler waren so einhellig wie aufschlußreich: Von der Linkspartei bis zur CDU schimpfte man bereits einen Tag nach der Veröffentlichung der umfangreichen und offenbar gar nicht gelesenen Expertise gegen „rechtsextreme Denkstrukturen“, „populistische Denke“, den „Popanz der Gefahr vor Überfremdung“, das Schüren von „Ängsten“.

Weiterführende Hinweise im Internet:  www.vielfalt-bewegt-frankfurt.de    www.freie-waehler-im-roemer.de

Fotos: Einwanderer in Hessen: Frankfurt als ideales Terrain für den Testfall der Weltgesellschaft, Eskandari-Grünberg

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