© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/10 19. Februar 2010

„Die Stammwähler sind hochgradig unzufrieden“
Parteirebellen: Mit einem „Manifest gegen den Linkstrend“ protestieren zahlreiche CDU-Mitglieder gegen die Aufgabe christlich-konservativer Positionen
Marcus Schmidt

Mit einem „Manifest gegen den Links­trend“ hat eine Reihe ehemaliger CDU-Politiker und Publizisten auf die Berliner Erklärung der CDU reagiert. In dem am Wochenende veröffentlichten Aufruf fordern die Unterzeichner um den ehemaligen CDU-Bundesrichter Friedrich-Wilhelm Siebeke von der Parteiführung eine „grundlegende politische Kurskorrektur, eine geistige Wende“. Erste Reaktionen lassen darauf schließen, daß sich in der CDU-Führung Unruhe ausbreitet.

Die Partei habe in den vergangenen Jahren wesentliche Grundpositionen aufgegeben, heißt es in dem Manifest, das in der Frankfurter Allgemeinen Sonntags Zeitung und der Welt am Sonntag veröffentlicht wurde. Zu den Erstunterzeichnern gehören unter anderem der ehemalige Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Werner Münch, der Sprecher des Arbeitskreises Engagierter Katholiken in CDU und CSU (AEK), Martin Lohmann (siehe auch die Meldung auf dieser Seite), sowie das Berliner Abgeordnetenhausmitglied René Stadtkewitz.

 „Als Volkspartei mit christlich-konservativen und marktwirtschaftlichen Positionen ist die CDU seit Konrad Adenauer und Ludwig Erhard groß geworden und erfolgreich gewesen“, heißt es in dem Manifest. Doch die CDU wolle sich mit der Berliner Erklärung von ihren Wurzeln und langjährigen Stammwählern verabschieden. Auf Kritik stößt bei den Unterzeichnern vor allem der von der Union mitverantwortete „Marsch in den Schuldenstaat“, die linke Gesellschaftspolitik sowie die Fortführung der „gescheiterten Multikulti-Integrationspolitik“ durch die schwarz-gelbe Bundesregierung.

Auch die Abkehr von der bewährten Schulpolitik sowie der nach Ansicht der Unterzeichner mangelhafte Einsatz der CDU für die Erinnerung an die deutschen Opfer der Vertreibung werden kritisiert. Zudem wird der Union vorgeworfen, sie unterlasse es, für einen konsequenten Lebensschutz einzutreten, und scheue sich, der Gefahr der Islamisierung entgegenzutreten.

Siebeke unterstrich gegenüber der JUNGEN FREIHEIT die Notwendigkeit, das konservative Profil der Union zu schärfen. Er rief gerade Jüngere dazu auf, in die Junge Union einzutreten, da man dort erfolgreich Widerstand gegen den Linkskurs leisten könne. Auch wenn es an der CDU derzeit viel zu kritisieren gebe, biete die Partei konservativ denkenden Menschen immer noch eine Möglichkeit, sich zu engagieren. Eine demokratische Rechtspartei als Alternative zur CDU hätte dagegen nur mit einem redegewandten Politiker an der Spitze eine Chance. „Würde es heute noch jemanden wie Franz Josef Strauß geben, hätten wir im Handumdrehen eine Rechtspartei“, verdeutlichte Siebeke, der 2004 als stellvertretender Vorsitzender des Bundesparteigerichts der CDU gegen den Parteiausschluß des Bundestagsabgeordneten Martin Hohmanns votiert hatte. Dieser war wegen einer in den Medien fälschlicherweise als antisemitisch dargestellten Rede aus der Union ausgeschlossen worden. Seine abweichende Meinung hat Siebeke in einem in dem Buch „Der Fall Hohmann“ von Fritz Schenk abgedruckten Sondervotum veröffentlicht. Darin moniert Siebeke, daß der Ausschluß Hohmanns eine unzulässige Doppelbestrafung darstelle.

Die CDU-Führung wies die Vorwürfe der parteiinternen Kritiker unterdessen zurück. „Der CDU einen Linkstrend zu unterstellen, ist absurd“, sagte Generalsekretär Hermann Gröhe der Welt.

Ähnlich sieht es der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Peter Altmaier. Unter der Führung von Angela Merkel sei die Partei vielmehr in die Mitte gerückt, sagte er im Deutschlandfunk. „Ich bin dagegen, daß wir Politik im Rechts-Links-Schema machen, sondern wir müssen versuchen, bei der Lebenswirklichkeit der Menschen anzukommen.“ Nach Ansicht Altmaiers handle es sich bei den Kritikern um eine kleine Minderheit in der Partei.

Diese können auf erste Erfolge verweisen: Das Manifest stoße auf große Resonanz, bis Dienstag seien bereits 800 Unterzeichner hinzugekommen. „Das zeigt: Die Basis und die Stammwähler sind mit dem Linkskurs der Parteiführung hochgradig unzufrieden“, sagte Siebeke. Weitere Anzeigen seien bereits geplant.

Die CDU-kritische Initiative im Internet: www.linkstrend-stoppen.de

Fotos: Friedrich-Wilhelm Siebeke, Das Manifest als Anzeige

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