© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/10 19. Februar 2010

„Steckbriefe an jeder Wand“
Wegen seiner Autorschaft für diese Zeitung steht er unter Druck. Der Fall des Soziologen Jost Bauch
Moritz Schwarz

Herr Professor Bauch, ist die freie Rede in Deutschland in Gefahr?

Bauch: Ja, ich hätte es selbst nicht geglaubt, aber ich habe es am eigenen Leib erfahren.

Ganz offensichtlich haben Sie die Grenzen dessen, was politisch tragbar ist, überschritten.

Bauch: So wird es dargestellt, aber man bleibt den Beweis dafür schuldig. Was ich sage, ist etwa in angelsächsischen Ländern gang und gäbe, in Deutschland aber offenbar ein Skandalon. Das wirft doch die Frage auf, ob das Problem möglicherweise nicht ich bin, sondern das gesellschaftliche Klima bei uns ist. Wenn einmal jemand fragen würde, wie alles begonnen hat, würde ja vielleicht offenbar werden, daß ich nicht Täter, sondern Opfer bin.

Wie hat denn alles begonnen?

Bauch: Es war vor zwei Semestern: Eines Morgens kam ich wie immer in die Uni und fand an jeder Wand einen Steckbrief von mir! Mein Foto mit einer Darstellung meiner Person als politischer Unhold schlimmster Sorte, gezeichnet durch hiesige „antifaschistische“ Gruppen. Wenn man so etwas erlebt, bekommt man erstmal einen Schock und hat Angst. Ich wußte ja überhaupt nicht, was das soll und was nun passieren würde. Man hat dann das Gefühl, jeder starre einen an – und vermutlich ist es auch so. Jeder flüstert über dich, und man hat keine Chance, dem entgegenzutreten. Dann begannen die Störungen meiner Lehrveranstaltungen. Zwar habe ich den Störern angeboten, die Vorwürfe in öffentlicher Diskussion zu klären, aber daran hatten die kein Interesse.

Sondern?

Bauch: Heute ist mir klar, daß der Gedanke, das alles müsse ein Mißverständnis sein, das sich bestimmt aufklären läßt, naiv ist. Die wollen nicht Ordnung und Gerechtigkeit, die wollen die öffentliche Demütigung und Aburteilung, die Vernichtung meiner bürgerlichen Existenz und Zerstörung meiner universitären Laufbahn. Der Bauch muß weg!

Allerdings sind Sie noch da.

Bauch: Wir leben zum Glück in einem Rechtsstaat, da geht so etwas nicht von heute auf morgen, sondern langsam, durch Zersetzung. Wie gesagt, es begann vor zwei Semestern und hat jetzt einen neuen Höhepunkt erreicht.

Die Universität hat nun geprüft, ob man Sie suspendieren kann.

Bauch: Das muß man sich vorstellen. Wer sind denn die, die mich anklagen? Ein paar Studenten. Was haben sie in der Hand? Nichts als Behauptungen. Man würde meinen, die haben keine Chance, denn sonst könnte da ja jeder kommen. Aber Irrtum, die Universität hat tatsächlich auf dieser „Basis“ geprüft, ob ich mich eines Dienstvergehens schuldig gemacht habe. Verstehen Sie? Da stellt irgendwer durchsichtige Behauptungen auf, und dann wird wirklich gegen Sie ermittelt. Das macht die Sache erst schlimm!

Herausgekommen ist nichts.

Bauch: Genau, kein Dienstvergehen. Nichts, gar nichts.

Dann ist die Sache ja jetzt vom Tisch.

Bauch: Das meinen Sie nicht im Ernst? Schön wär’s! Natürlich sollte man meinen, daß dem genauso ist: Es liegt nichts vor, Freispruch, betretene Blicke, wer Erziehung hat, würde eine Entschuldigung aussprechen. Aber, es wird Sie wohl kaum überraschen, nichts davon, im Gegenteil.

Schuldig bei Verdacht?

Bauch: Genau. Und in gewisser Weise gereicht mir meine erwiesene Unschuld sogar zum Nachteil, denn insofern kann ich auch nichts tun, um abzuschwören, denn es liegt ja nichts vor. Was also sollte ich „widerrufen“? Das kann mir die Uni-Leitung im Grunde gar nicht sagen. Könnte sie es, hätte sie ja etwas in der Hand, das eben hat sie aber nicht. – Es ist kafkaesk.

Im „Südkurier“, dem journalistischen Meinungsführer der Region Konstanz, wird die Uni zitiert: Ihnen sei „nichts nachzuweisen“.

Bauch: Ja, und das hat in dem Artikel so den Klang: „schuldig, aber zu schlau, um sich erwischen zu lassen“. Die aufgeklärte, moderne Rechtsprechung wurde geschaffen, damit Verdacht zu einer Untersuchung führt und diese zu einem Urteil, das den Verdacht entweder bestätigt oder beendet. Das nennt man Rechtssicherheit. Doch hier tritt an deren Stelle die Herrschaft des Verdachts: Die juristisch nicht mögliche reale Verurteilung wird durch eine Atmosphäre der Verurteilung ersetzt. Sprich, selbst wer freigesprochen wird, ist verurteilt. Was man auch tut, es gibt keine Entkommen.

Was bedeutet das konkret?

Bauch: Um die Wühlarbeit gegen mich zu verstetigen, wurde eine studentische Arbeitsgruppe namens „Bauch-Schmerzen“ gegründet – immerhin einen Rest Humor scheinen die zu haben. Diese Gruppe – und da vergeht einem das Lachen – ist ausschließlich mit der Denunziation meiner Person befaßt, sie liest dazu alles, was ich publiziere. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte ich mich damit trösten, der wohl der meistgelesene Soziologe der Uni Konstanz zu sein. Und so geht das dann: Es wird mir „kultureller Rassismus“ unterstellt. Sprich, der Bauch ist so schlau, der sagt nichts direkt Rassistisches, sondern verbrämt das mit Kultur. Es ist also nichts direkt nachzuweisen, aber genau das ist das besonders Schlimme an mir. Es ist eine hermetische Schlußfolgerung, in die man mit vernünftigen Argumenten nicht einbrechen kann. Man liest meine Texte nicht, um zu erfahren, was darin steht, sondern um „nachzuweisen“, was vorher schon feststeht.

Vorgeworfen werden Ihnen Sätze wie: „Es ist nicht abwegig, daß spätestens in fünfzig Jahren Deutschland muslimisch ist.“ Oder: „Man kann fast von einem selbstgewählten kollektiven Ethnosuizid der Deutschen sprechen.“

Bauch: Das sind Aussagen, hinter denen ich stehe, allerdings sind es hypothetische „Wenn ..., dann“-Aussagen. Ich beziehe mich dabei auf anerkannte Autoren wie Gunnar Heinsohn oder Samuel Huntington, und deshalb verstehe ich auch nicht, wie man mir das überhaupt zum Vorwurf machen kann. Nach Samuel Huntington handelt es sich etwa beim „Clash of Civilizations“ um ein objektives Phänomen – was bitte hat das mit der „Toleranz einer Universität“ zu tun?

Rektor Ulrich Rüdiger hat sich jüngst öffentlich von Ihnen distanziert: „Eine Universität, für die internationaler Austausch, Toleranz und Respekt vor fremden Kulturen selbstverständlich ist, kann Bauchs Aktivitäten nicht billigen.“

Bauch: Ich bin ein starker Befürworter dieser Toleranz, Wissenschaft ist per se international. Doch darf man deswegen die kulturelle und soziale Realität nicht zur Sprache bringen? Gerade wenn es um die Realität kultureller Vielfalt geht, ist es doch geboten, diese Realität zu untersuchen und zu diskutieren. Eine Aussage, wie „wenn ..., dann“ wird Deutschland „in fünfzig Jahren muslimisch sein“ ist insofern keine subjektive, politische Aussage, sondern eine Prognose auf Basis der Realität. Aber das wird nicht begriffen, oder soll nicht begriffen werden. Statt dessen wird diese hypothetische Aussage moralisiert, und es fällt das beliebte Wort „menschenverachtend“. Doch wie kann die Analyse der Realität menschenverachtend sein? Andersherum: Wer die Realität ignoriert, wer ihr gegenüber aus ideologischen Gründen oder Feigheit die Augen verschließt, der verhält sich „menschenverachtend“, weil er die Menschen ins offene Messer laufen läßt.

Hatte Herr Rüdiger zuvor das Gespräch mit Ihnen gesucht, um Ihre Sicht zu hören?

Bauch: Nein.

Warum nicht?

Bauch: Fragen Sie Herrn Rüdiger.

Haben wir getan – keine Antwort.

Bauch: Ich kann nur bedauern, daß man sich offenbar nicht an den alten Grundsatz des Römischen Rechts „Audiatur et altera pars“ – also, stets ist auch die andere Seite zu hören – erinnert.

Sind Sie von der Universität und der Kollegenschaft enttäuscht?

Bauch: Ich habe mich an der Uni Konstanz immer wohlgefühlt, hatte Anerkennung und guten Kontakt zu Kollegen. Ich möchte niemanden verurteilen, denn ich will nicht ungerecht sein, aber ich fühle mich natürlich alleine gelassen. Ich kann nicht erwarten, daß man inhaltlich auf meiner Seite steht. Aber es enttäuscht mich, daß nicht klar gesagt wird: „So geht es nicht, das ist Denunziation wie im Mittelalter!“ Von Voltaire stammt das Diktum, er lehne jedes Wort ab, das der andere da von sich gibt, aber er werde dessen Recht, dies zu tun, jederzeit bis zum äußersten verteidigen.

Auch Ihr Satz, „die neuen äußeren Bedrohungen machen es erforderlich, in der Politik wieder verstärkt nach dem Muster Freund/Feind zu denken“ bereitet der Gruppe „Bauch-Schmerzen“ Bauchschmerzen. In der Tat gehen Sie damit über die Analyse hinaus – ist das nicht klar eine politische Empfehlung?

Bauch: Ich trenne streng zwischen meiner Tätigkeit als Dozent und wissenschaftlicher Publizist und meiner privaten journalistischen Tätigkeit. Wenn ich im Rahmen letzterer darauf hinweise, daß das Aufeinandertreffen der westlichen und der islamischen Kultur zu Konflikten führt, die für alle Beteiligten eine Standortbestimmung notwendig machen, um sich über den wahren Charakter der Lage klarzuwerden, dann ist das nicht gleichbedeutend mit der Ablehnung einer anderen Kultur, sondern erneut die Beschreibung der Realität.

Konkret bitte!

Bauch: Ich spreche davon, daß die Diskussionen um Minarette, Kopftuch, Burka, Ehrenmorde, Schächten, Frauenbeschneidung, Zwangsehe, migrantische Jugendgewalt, Parallelgesellschaften, demographische Entwicklung, Fundamentalismus, Terrorismus, Verschärfung unserer Sicherheitsgesetze bis hin zum Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan Ausdruck einer Realität sind. Für den Soziologen gilt es, diese Realität zu erkennen und offenbar zu machen. Das von dem Staatsrechtler Carl Schmitt eingeführte Muster der Freund/Feind-Kennung ist ein Mittel, diese real existierenden Konflikte, die gewisse Kreise natürlich stets hinter dem Grauschleier eines ideologischen Moralcodes verbergen möchten, sichtbar zu machen. Beispiel: Die Politik versucht doch das Volk durch die Vermeidung des Begriffs „Krieg“ über den wahren Charakter des Konflikts hinwegzutäuschen, in dem wir in Afghanistan stecken. Doch die Spatzen pfeifen es von den Dächern, und es ist ironischerweise vor allem die Linke, die hier eine wahrhaftige Wortwahl, im Grunde im Sinne Schmitt’scher Klarsicht, fordert – natürlich, um sich dann gegen diesen Krieg zu positionieren. Freund/Feind ist ja keine Handlungsanleitung, es ist ein Erkennungscode des Politischen. Auch bei Schmitt ist der Krieg das letzte Mittel der Politik.

Also, was steckt hinter all dem?

Bauch: Ich glaube, am Ende geht es in Wirklichkeit vor allem um eines: um meine Autorenschaft für Ihre Zeitung. Zwar ist auch das nichts, was man mir realiter vorwerfen kann, aber man tut es moraliter. Man muß wohl das alles vor diesem Hintergrund sehen.

Warum schreiben Sie für die JF?

Bauch: Gegenfrage: Warum nicht? Als Soziologe muß man publizieren.

Wird dieses Interview die Gegenseite nicht provozieren?

Bauch: Ganz ohne Zweifel.

Warum geben Sie es dann?

Bauch: Weil das Beschweigen der Zustände durch „Wegducken“, um sich persönlich zu schützen, zwar menschlich verständlich, aber für unsere Gesellschaft verhängnisvoll ist. Es kann sich doch nur dann etwas ändern, wenn man so etwas öffentlich macht!

Welchen Preis werden Sie dafür zu bezahlen haben?

Bauch: Normalerweise habe ich etwa 25 Kursbesucher, derzeit sind es nur noch sechs. Mal sehen, wie viele davon den Mut haben, zu bleiben, denn natürlich entsteht da sozialer Druck: „Was? Du gehst zu dem?“

Was bedeutet es für Sie, wenn Ihnen die Studenten wegbleiben?

Bauch: Für einen Hochschullehrer ist das eine persönliche Katastrophe, denn man möchte ja etwas weitergeben. Das ist wie Publikationsverbot für einen Schriftsteller oder Auftrittsverbot für einen Musiker. Es entzieht die Basis für einen Teil der persönlichen Existenz. Ich darf behaupten, daß meine Lehrveranstaltungen spannend sind, zumindest bekomme ich auf den Evaluationsbögen immer die besten Bewertungen von den Studenten. Ich lehre übrigens zum Thema „Gesundheitssoziologie“. Das hat mit meiner publizistischen Tätigkeit in der JUNGEN FREIHEIT gar nichts zu tun.

Da man Ihrer juristisch nicht habhaft werden kann, wird man versuchen, Sie an diesem Punkt zu treffen?

Bauch: Ja, das ist wohl der Plan.

Welche Chancen haben Sie?

Bauch: Ich bin leider skeptisch. Und dazu kommt noch ein gravierendes Problem, nämlich daß diese Leute fleißig daran arbeiten, mich obendrein im Internet als „rechtsextrem“ zu denunzieren. Ich bin ein sogenannter außerplanmäßiger Professor, das heißt, ich bekomme von der Universität kein Geld. Das verdiene ich durch private Aufträge. Ich bin also auf einen guten Ruf angewiesen. Tatsächlich habe ich bereits wegen dieser Vorfälle Aufträge verloren. Es steht also auch meine wirtschaftliche Existenz auf dem Spiel! Ich bekomme zwar per Brief und E-Mail viel Zustimmung aus der Bevölkerung, aber davon kann man nicht leben. Ich bin jetzt 61, muß also diesen Kampf noch vier Jahre durchhalten. Ich weiß noch nicht, wie, aber im Moment bin ich nicht gewillt aufzugeben.

 

Prof. Dr. Jost Bauch soll wegen seiner Autorschaft für die JUNGE FREIHEIT seine Lehrtätigkeit an der Universität Konstanz verlieren (siehe auch den Hintergrundbeitrag auf der Seite 10). Am 28. Januar forderte die Vollversammlung der Studenten seine Entlassung, die Hochschulleitung prüfte entsprechende Schritte. Konkret bezichtigen ihn antifaschistische Hochschulgruppen wegen seiner Rekurse auf Autoren wie Samuel Huntington oder Carl Schmitt des „kulturellen Rassismus“. Jost Bauch ist seit 2001 außerplanmäßiger Professor an der Uni Konstanz. Zuvor lehrte er an der PH Köln, war Referatsleiter bei der Bundeszahnärztekammer und Geschäftsführer der Hessischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitserziehung. Er ist Experte für Medizin- und Gesundheitssoziologie und hat zahlreiche Bücher und wissenschaftliche Aufsätze publiziert. Durch die Angriffe hat er bereits Lehraufträge und Dozententätigkeiten verloren und gerät so existentiell unter Druck. Geboren wurde Bauch 1949 in Osnabrück. Seit 2004 schreibt er sporadisch für diese Zeitung.

Foto: Studentenprotest (Montage): „Es geht darum mich zu demütigen, meine Existenz und Laufbahn zu zerstören ... für mich ist das eine persönliche Katastrophe“

 

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