© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/10 19. Februar 2010

Verschleierte Wahrheit
Euro-Land in der Krise: Das Scheitern der Währungsunion
Karl A. Schachtschneider

Die Währungsunion des Maastricht-Vertrags ist gescheitert. Jetzt beginnt die Sozialisierung der Schäden, vorerst die des griechischen Desasters. Die Währungsunion war nie eine Stabilitätsgemeinschaft, wie sie es sein sollte. Jetzt erweist sie sich als Haftungsgemeinschaft, vertrags- und rechtswidrig. „Griechenland gehört zu uns. Wir lassen es nicht allein“: Merkels „Schuldübernahme“ nimmt der Pflicht zur Haushaltsdisziplin endgültig die Glaubwürdigkeit.

Die Rechtslage verpflichtet Deutschland, die Währungsunion zu verlassen, wenn Griechenland das nicht tut. Den Euro will die classa politica nicht aufgeben, koste es, was es wolle. Er ist der wichtigste Hebel der bundesstaatlichen Entwicklung der EU. Deren ungenanntes Staatsprinzip ist die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse. Eine beständige Währungsunion muß zugleich homogene Wirtschafts- und Sozialunion, optimaler Währungsraum sein, letztlich Einheitsstaat. Die Euro-Politik ist ein Manöver, um den Völkern, zumal den Deutschen, die Nivellierung ihrer Lebensverhältnisse abzunötigen.

Die Abwertung der griechischen Währung ist unumgänglich. Portugal, Spanien, und Irland müssen folgen, bald auch Italien und Frankreich. Jeder Staatswissenschaftler weiß das. Fraglos hatten die Inflationsländer durch die vor allem durch Deutschland stabilisierte Währung Kreditzinsen, die ihren Lohnkosten und ihrer Produktivität nicht entsprachen. In dieser wirtschaftlichen Hängematte haben sie sich noch bedenkenloser verschuldet, staatlich und privat. Aber es konnte nie einen Zweifel geben, daß die Wettbewerbs-, Kredit- und Zahlungsfähigkeit in absehbarer Zeit verlorengehen wird. Der Euro-Kritiker Wilhelm Hankel ist nicht müde geworden, das zu lehren, auch in dieser Zeitung. Aber die von der Großfinanz abhängige Politik war sich immer klar darüber, daß sie den Euro werde verteidigen müssen, was auch immer in den Verträgen stehen mag.

Zur Umgehung des Haftungsausschlusses („no bail out-Klausel“) des Art. 125 AEUV (EU-Arbeitsvertrag), gibt es mancherlei Wege. Der IWF kann Griechenland mit Mitteln kreditieren, welche Euro-Staaten geben. Die Geschäftsbanken übernehmen griechische Anleihen und leiten diese später an Bad Banks weiter.

Ein wirkliches Risiko tragen Banken nicht mehr, seit die Politik sich ihre Systemrelevanz hat einreden lassen. Die Schäden werden mittels Staatsschulden und Besteuerung auf die „Untertanen“ abgewälzt. Die Medien werden gemäß der Political Correctness den Schein des Rechts beisteuern. Außerdem ermöglicht Art. 122 AEUV bei „außergewöhnlichen Ereignissen, die sich der  Kontrolle eines Mitgliedstaates entziehen“, den „finanziellen Beistand der Union“. Interpreten werden die selbstverschuldeten Finanzprobleme als beihilfefähige „Schwierigkeit“ herbeireden. Die qualifizierte Mehrheit im Rat wäre angesichts der allgemeinen haushaltspolitischen Disziplinlosigkeit leicht zu erreichen.

Rechtsbruch ist ein übliches Mittel der Europa-Politik. Das Rechtsprinzip ist ohnehin durch das abgesenkte rechtliche Profil der Unionsverträge (Legitimation, Bestimmtheit, Verbindlichkeit) entwertet. Der Gerichtshof der Union gewährleistet keine Rechtlichkeit, zumal er keinerlei demokratische Dignität hat. Der Rechtsstaat ist Vergangenheit. Im Wirtschaftskrieg gegen die Schweiz soll Moralismus Rechtlichkeit, nämlich die Legalität der Verfahren, ersetzen.

Bereits die Einführung des Euro war ein Akt der Diktatur, vertragswidrig und rechtsschutzlos. Nach dem Maastricht-Urteil darf Deutschland nur einer Stabilitätsgemeinschaft angehören, andernfalls muß es als „Ultima ratio“ die Währungsunion verlassen. Als aber der Euro trotz mangelnder Konvergenz eingeführt wurde, hat das Bundesverfassungsgericht Rechtsschutz verweigert. Entgegen jahrzehntelanger Praxis hat das Gericht der Eigentumsgewährleistung des Grundgesetzes kein subjektives Recht der Bürger entnommen, die von dem Grundrecht geschützte vertragsgemäße Stabilitätspolitik einzuklagen. Im „Bereich rechtlich offener Tatbestände zwischen ökonomischer Erkenntnis und politischer Gestaltung“ seien „die Entscheidungsverantwortlichkeiten Regierung und Parlament zugewiesen“. Das widerspricht dem Grundrechtsprinzip diametral.

Griechenland kann nur durch Austritt aus der Währungsunion und Abwertung seine Wirtschaft retten, etwa nach einem so oder so erzwungenen Schuldenerlaß nach dem Beispiel Argentiniens. Eine Ausstiegstechnik wird ohnehin gefunden werden müssen, weil sich die Währungsunion nur mit polizeistaatlichen Maßnahmen aufrechterhalten lassen wird. Haushaltsdisziplin ist von dem Land nicht zu erwarten. Es hat sich in die Währungsunion geschlichen und seine Haushaltslage stetig verschleiert.

Die neuerlichen Versprechen dienen allein der Täuschung vor allem der Länder, die helfen sollen. Die Griechen werden die von der Union abgeforderten Maßnahmen nicht hinnehmen. Um Aufruhr niederzuschlagen, hat sich die Union die Mittel geschaffen.

Griechenland als Wiege der europäischen Kultur sollte nicht der Schierlingsbecher, sondern klares Wasser gereicht werden – die leistungsgerechte Währung.

 

Prof. Dr. Karl A. Schachtschneider ist Verfassungsrechtler.

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