© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/10 12. Februar 2010

Muezzinruf am Nord-Ostsee-Kanal
Islamisierung: In Rendsburg wird demnächst über Lautsprecher zum Gebet in die Moschee gerufen – ein Beispiel, das Schule macht
Hinrich Rohbohm

Allah ist der Größte! Ich bezeuge, daß es keinen Gott gibt außer Allah. Ich bezeuge, daß Muhammad der Gesandte Allahs ist! Kommt her zum Gebet! Kommt her zum Erfolg! Allah ist der Größte! Es gibt keinen Gott außer Allah!“

Dieser Aufruf zum muslimischen Gebet soll bald durch die Straßen der schleswig-holsteinischen Provinzstadt Rendsburg schallen. Bürgermeister Andreas Breitner (SPD) hat in der vergangenen Woche den sogenannten Muezzinruf genehmigt. Bis zu fünfmal am Tag in der Zeit zwischen 6 und 22 Uhr kann nun von den Minaretten der Centrum-Moschee zum Gebet gerufen werden. Die Genehmigung des Muezzinrufs ist der nächste Schritt einer in Deutschland immer stärker sichtbar – und nun auch hörbar – werdenden Islamisierung.

Es ist ein ungewöhnliches Bild, das sich dem Besucher der am Nord-Ostsee-Kanal gelegenen, knapp 30.000 Einwohner zählenden Stadt bietet. In der Eckernförder Straße 60 ragen im Schneegestöber zwei 26 Meter hohe orientalisch anmutende Türme empor, jeweils bekrönt mit einem Halbmond. Ein weiterer Halbmond ziert die mächtige Kuppel zwischen den beiden „Bajonetten“, wie der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdoğan einst die Minarette bezeichnet hatte. Ein solches Gebäude würde man eher im Wüstensand statt im Schnee vermuten – oder in Metropolen wie Dubai, Istanbul, Bagdad oder Kairo, denen ähnliche Bauwerke ihren unverwechselbaren architektonischen Stempel aufdrücken.

Dagegen dürfte sich der Ortsunkundige beim Anblick des im vergangenen Oktober eröffneten größten muslimischen Gebetshauses in Schleswig-Holstein zunächst verwundert die Augen reiben, um sicherzugehen, nicht einem Traum aus „Tausendundeiner Nacht“ erlegen zu sein. Doch der Bau ist keine Sinnestäuschung. Er ist aus Stein gefertigte und in Beton gegossene Realität. Auch der Muezzinruf ist kein Traum. Sein Klang wird fortan nicht nur von heißen Wüstenwinden durch die Gassen arabischer Städte getragen, sondern auch in der kalten Kühlschrank-Luft Norddeutschlands erklingen.

Dabei hatte das Bauamt der Stadt nach Informationen der JUNGEN FREIHEIT ursprünglich darauf gedrungen, daß es keinen Muezzinruf von der Moschee geben darf. Warum die Rendsburger Verwaltung sich plötzlich doch anders entschieden hat, ist derzeit Gegenstand von Spekulationen. Lediglich 40 Dezibel soll der Gebetsruf laut einer schalltechnischen Untersuchung erzeugen, beteuert Andreas Breitner auf einer von der Stadt eigens einberufenen Pressekonferenz. „Das entspricht dem Geräusch von Vogellauten“, verdeutlicht das Stadtoberhaupt.

Nicht alle Rendsburger teilen seine Einschätzung. Im November vorigen Jahres hatte die Bürgerinitiative „Kein öffentlicher Gebetsruf“ der Ratsversammlung 783 Protest-Unterschriften gegen die angeblichen Zwitscher-Geräusche vorgelegt. Doch der Bürgermeister hält dagegen. „Unsere Entscheidung basiert ausschließlich auf einer rechtlichen Bewertung. Eine Baugenehmigung darf in Deutschland und auch nicht in Rendsburg vom Gutdünken der Bauaufsichtsbehörde abhängen, sondern sie darf nur abhängen von Recht und Gesetz. Ich bin der festen Überzeugung – so wie Sie hoffentlich auch –, daß unterschiedliche Hautfarbe, unterschiedliche Herkunft, unterschiedlicher Glaube oder unterschiedliches Geschlecht nicht dafür eine Rolle spielen kann, was in Deutschland an Gesetz angewendet wird“, rechtfertigt Breitner die Entscheidung mit dem Verweis, daß es sich formal um eine Nutzungsänderung handele. Die Baugenehmigung für die Moschee hatte die Stadt bereits 1998 erteilt. Ein rechtswissenschaftliches Gutachten der Kieler Anwaltskanzlei Weißleder & Ewer bestätige zudem die Einschätzung der Stadt.

Doch gerade das Recht ist es, in dem sich Fritjof Wilken verletzt sieht. Der Stadtrats-Fraktionsvorsitzende der „Liste Wilken – für ein modernes Rendsburg“ hatte der Pressekonferenz beiwohnen wollen. „Aber der Bürgermeister hat mich nicht hineingelassen“, beklagt er sich. Begründung der Stadt: Zutritt nur für Pressevertreter. Auch das ihm als Ratsmitglied zustehende Akteneinsichtsrecht habe Breitner ihm verwehrt.

Erst am Tag der Pressekonferenz seien die Unterlagen zum Genehmigungsverfahren den Fraktionsvorsitzenden zugesandt worden. Auch den übrigen Stadtratsfraktionen war die Genehmigung wohl nicht ganz geheuer. Mit Ausnahme der Linkspartei verständigten sie sich auf einen wachsweich formulierten Appell in dem sie den Muezzinruf „kritisch“ sehen. Wie Bürgermeister Breitner setzen sie auf den guten Willen der Muslime, den Gebetsruf von sich aus nur freitags erschallen zu lassen.

Vor der Pressekonferenz ist die Anspannung der Stadtführung bis vor die Tür zu spüren. Sie hat Absperrungen errichten lassen. Polizeiwagen postieren sich vor dem Gebäude, ein Sicherheitsdienst steht im Foyer des Rathauses bereit.

Es mögen gerade einmal 20 Bürger sein, die sich trotz Schnee, Sturm und Kälte am Dienstag kurz vor 15 Uhr den Weg ins Rathaus bahnen, um gegen die Muezzin-Genehmigung zu protestieren – überwiegend Rentner. „Die Jüngeren müssen um diese Zeit ja arbeiten“, meint einer der Demonstranten leicht resignierend. „Für die Politik sind wir Bürger nur noch lästig“, bringt es Hubert Scheiding, einer der Sprecher der Bürgerinitiative, auf den Punkt. Und fügt an: „Das hier ist erst der Anfang. Es werden weitere Forderungen aus der islamischen Richtung entstehen, und wir werden stückchenweise unsere demokratischen Grundsätze aufgeben und immer stärker nach islamischem Recht leben“, fürchtet er.

Genau wie Fritjof Wilken gibt ihm vor allem der radikale Hintergrund der Moscheebetreiber zu denken. „Die Moschee wird vom eingetragenen Verein ‘Islamisches Zentrum e.V. in Rendsburg’ betrieben und gehört damit faktisch zur ‘Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs’ (IGMG)“, klärt Wilken die Bürger in einem Flugblatt auf. Der Verfassungsschutz wirft Milli Görüs eine „ideologisierte Interpretation“ des Islam vor. Ziel sei es, „die weltliche Ordnung zu überwinden und durch ein islamisches Gemeinwesen zu ersetzen“.

Die Demonstranten haben Plakate mitgebracht, die sie den Stadtrats-Fraktionsvorsitzenden und der Presse entgegenhalten. „Mehr Demokratie“ und „Kein Muezzinruf“, ist darauf unter anderem zu lesen.

Milli Görüs sorge mit ihrer türkisch-nationalistischen Anschauung  für eine von ihr dominierte Parallelgesellschaft, sei antisemitisch und gegen die Gleichberechtigung von Frauen und Männern, so der Vorwurf der Liste Wilken. Deren Fraktionsvorsitzender ist vor allem über die zahlreichen geschwärzten Stellen im Genehmigungsverfahren erbost, das der JF vorliegt. „Die Verwaltung hat Namen und Adreßdaten des Antragstellers einfach unkenntlich gemacht. Damit kann man nicht mehr ersehen, wer in Wahrheit hinter dem Anliegen steckt.“

Während sich die Schweiz im November vorigen Jahres per Volksabstimmung für ein Minarettverbot ausgesprochen hatte,  ist der Rendsburger Muezzinruf nicht der erste in Deutschland. Auch in Schleswig und Neumünster gehört er für die Bürger bereits zum Alltag.  Weitere könnten bald folgen.

In Hamburg unterstützt die Bischöfin der nordelbischen Kirche, Maria Jepsen, das Anliegen der dortigen Centrum-Moschee auf einen täglichen Gebetsruf. Bürgermeister Ole von Beust verlieh dem Moschee-Ableger der Lindenbazar Handels GmbH den Förderpreis „Vielfalt in Ausbildung 2007“. Der „Lindenbazar“ im Stadtteil St. Georg dient der Centrumsgemeinde zur Finanzierung ihrer Aktivitäten. Er fördert seit seiner Gründung 1999 die Berufsausbildung für Jugendliche mit Migrationshintergrund und türkischen, kurdischen, russischen, tschetschenischen, bosnischen sowie afghanischen Wurzeln. Die Moschee war 2006 ins Gerede gekommen, nachdem bekanntgeworden war, daß in ihrem Buchladen Gewalt verherrlichende und antijüdische Kinderfilme verkauft wurden. Der Vorsitzende der Moschee, Ramazan Ucar, ist zudem gleichzeitig Landesvorsitzender der IGMG Hamburg. Sein Stellvertreter Ahmet Yazici wiederum fungiert gleichzeitig als Geschäftsführer der Lindenbazar Handels GmbH.

Angesichts dieser starken Verbindungen deutscher Moscheebetreiber in radikalislamistische Kreise dürften vom Muezzinruf betroffene Anwohner den künstlerischen Versuch eines christlich-islamischen Dialogs der Berliner Künstlerin Miriam Kigali wohl schlichtweg als naiv ansehen. Deren Klanginstallation „On Air“ sorgte vor kurzem in Mainz für Verwunderung, als gegen 10, 14 und 17 Uhr im Wechsel Glockenläuten und Muezzinruf von der St. Antoniuskapelle zu vernehmen waren. Mit der Aktion wolle sie in von negativer Stimmungsmache dominierten Zeiten ein positives Zeichen setzen, meinte die 44jährige.

Fotos: Bürgerprotest in Rendsburg: „Mehr Demokratie“, Moschee in Rendsburg: Nicht lauter als Vogelgezwitscher?

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