© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/10 05. Februar 2010

Frisch gepresst

Kriegsland im Osten. Christian Hartmann muß Masochist sein. Anders ist nicht zu erklären, wie sich der Mitarbeiter des Münchner Instituts für Zeitgeschichte (IfZ) jahrelang ins Freiburger Militärarchiv zwingen kann, um sich mit der papiernen Hinterlassenschaft der Deutschen Wehrmacht zu befassen, einer Institution, die ihm zutiefst zuwider ist. Zweck dieser Selbstkasteiung war die exemplarisch „dichte Beschreibung“ der Geschichte von fünf Großverbänden des Heeres, die als Front- oder Besatzungstruppen im Kriegsland zwischen Smolensk und Kiew operierten. Hartmann beschränkt sich dabei auf das erste Jahr des Rußlandkrieges, benötigt dafür aber schon fast 1.000 eng bedruckte Seiten mit gefühlten 10.000 Anmerkungen (Wehrmacht im Ostkrieg. Front und militärisches Hinterland 1941/42, Verlag R. Oldenbourg, München 2009, gebunden, 928 Seiten, Abbildungen, 59,80 Euro). Dabei steht der Anteil der Wehrmacht am „Vernichtungskrieg“ und am „Völkermord“ deutlich im Vordergrund seines Interesses. Allein ein Drittel des Opus trägt die Überschrift „Verbrechen“. Oft genug kommt der Autor dann auf moralisch ähnlich hohem Roß geritten wie Hannes Heer. So etwa wenn er konstatiert, daß die 296. Infanteriedivision keinen Anteil am Vorgehen gegen die Juden in Kiew im September 1941 habe, ihr dafür als „eigentliche Schuld“ aber aufgeladen wird, die SS-Rechtfertigungen für den Genozid akzeptiert zu haben. Insgesamt läßt Hartmanns Kolossalgemälde zum Hauptthema „Wehrmacht und Holocaust“ den Leser „in einen Abgrund von Gemeinheit und Brutalität“ blicken. Die Wehrmacht sei in ihrer Judenfeindschaft insofern eben ein Spiegelbild der nationalsozialistischen deutschen Volksgemeinschaft gewesen.

 

Srebrenica. Die Ermordung von mehreren tausend bosnischen Zivilisten und Kriegsgefangenen im Juli 1995 nahe der Stadt Srebrenica gilt als das schlimmste Massaker in Europa nach 1945. Für Alexander Dorin verbirgt sich dahinter eher eine „massive Informationsmanipulation“, die nur zu gerne von einer antiserbischen Pressemeute  „im Westen“ unkritisch verbreitet wurde – bis hin zur Erklärung des Internationalen Gerichtshofes, es habe sich um einen „Genozid“ gehandelt. Leider verschwimmen die vielen – oft landläufiger Kenntnis widersprechenden – interessanten Hintergrundanalysen wie jene zur offiziellen Opferzahl, zur unrühmlichen Rolle der Uno-Truppen oder zur Kausalkette der Gewalt in einer Region, in der sich seit 1992 bosnische Truppen „nach Balkanart“ austobten, hinter einer fast eifernd anmutenden proserbischen Agitation, die Zweifel an Dorins Seriosität reifen läßt (Srebrenica. Die Geschichte eines salonfähigen Rassismus. Kai Homilius Verlag, Berlin 2010, broschiert, 254 Seiten, Abbildungen, 19,90 Euro). Euro.

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