© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/10 29. Januar 2010

Die Demontage des Haider-Mythos
Interview: Der Kärntner FPÖ-Europapolitiker Andreas Mölzer über den Fall Hypo Group Alpe Adria und das Ende des Bündnis Zukunft Österreich
Jörg Fischer

Herr Mölzer, im Zuge der Weltfinanzkrise sind seit 2007 weltweit Hunderte Banken pleite gegangen. Die größeren wurden vom Staat mit Milliardenaufwand „gerettet“. Die Hypo Group Alpe Adria (HGAA) war lediglich das fünftgrößte Geldhaus Österreichs. Dieser Fall scheint angesichts der Dimensionen des deutschen Hypo-Real-Estate-Skandals oder der Teilverstaatlichung der Commerzbank eher zweitrangig. Dennoch beherrscht er weiter die Schlagzeilen – warum?

Mölzer: Ja, die HGAA war ursprünglich eine Kärntner Provinzbank, aber sie  war damit auch die Hausbank des früheren Landeshauptmanns Jörg Haider. Überdies ist diese Bank sehr früh auf den Balkan, insbesondere nach Kroatien, expandiert. Damit hat das Ganze eine über Österreich hinausgehende Dimension bekommen. Die Hypo Alpe Adria war Marktführer in mehreren Balkanstaaten, sie hatte enge Verflechtungen mit der kroatischen Politik. Als 2007 die Bayern LB als Mehrheitseigner einstieg, kam die bundesdeutsche Verflechtung hinzu. Eine HGAA-Pleite hätte womöglich einen Dominoeffekt gehabt und die ohnehin angeschlagene Bayerische Landesbank mit in den Abgrund gerissen.

Als der Geschäftsmann Tilo Berlin 2007 zum HGGA-Chef aufstieg, wurde er in der Wirtschaftspresse als erfolgreicher Banker und Vermögensverwalter vorgestellt, der nebenbei auf seinem Kärntner Bauernhof Hochlandrinder züchtet. Nun untersuchen bayerische Staatsanwälte und ein Untersuchungsausschuß, ob von ihm geworbene prominente Investoren von der 1,6 Milliarden Euro teuren HGAA-Übernahme durch die Bayern LB unrechtmäßig profitiert haben. Es ist von Bilanzfälschungen, Steueroasen, dubiosen Stiftungen und Schadenersatzforderungen die Rede.

Mölzer: Natürlich gilt erst einmal die Unschuldsvermutung. Wenn jemand 2006 als Finanzberater Investoren wirbt, die – auch mit Hilfe eines Kredits der Bayern LB – 25 Prozent einer kapitalbedürftigen Bank kaufen, so mag dies ein normaler Vorgang sein. Es liegt aber der Verdacht des Insider-Handels nahe, wenn dieser Investor gleichzeitig als Freund des Ex-Bayern-LB-Chefs Werner Schmidt gilt, der dann wenige Monate später diese Bank – die Hypo Alpa Adria – kauft, und diese Investorengruppe um Tilo Berlin dann mit angeblich 150 Millionen Euro Gewinn ihre Anteile abstoßen kann. Es ist auch naheliegend, daß dies nur unter Duldung durch die damals politisch Verantwortlichen möglich war – aber auch da gilt natürlich die Unschuldsvermutung.

In Kärnten trug damals Jörg Haider politische Verantwortung. Warum sollte er solche Geschäfte unterstützen?

Mölzer: Das liegt auf der Hand. Die Hypo Alpa Adria war als Landesbank dafür da, für Haiders Brot-und-Spiele-Politik in Kärnten die Finanzierungen zu stellen. So wurden etwa der Bau eines gewaltigen Fußballstadions für die EM, der Bau der Kärntner Seebühne oder Aktionen wie der Teuerungsausgleich für die Bevölkerung mitfinanziert.

Haider hat doch nicht allein regiert ...

Mölzer: Es ist in der Tat so, daß beispielsweise ÖVP-Landeschef Josef Martinz Aufsichtsratsvorsitzender der Kärntner Landesholding war, die offiziell die Hypo geführt und dann auch verkauft hat. Der Verdacht auf mögliche illegale Parteifinanzierung könnte insofern alle Kärntner Regierungsparteien treffen. Die FPÖ war allerdings seit 2005 nicht mehr in der Landesregierung vertreten.

War es angesichts des Hypo-Skandals dennoch politisch klug, die aus dem dortigen BZÖ hervorgegangenen Kärntner Freiheitlichen wieder unter das Dach der FPÖ aufzunehmen?

Mölzer: Die österreichischen Wähler wissen ganz genau, daß die FPÖ mit der Hypo überhaupt nichts zu tun hatte. Wir werden auch weiter die Linie vertreten, daß der Hypo-Skandal kompromißlos aufgeklärt werden muß – auch  wenn das für die eine oder andere Persönlichkeit der jetzigen Kärntner Freiheitlichen schmerzhaft werden mag. Allerdings wissen wir, daß die Hauptverantwortung beim verstorbenen Landeshauptmann liegt. Die Aufnahme der Kärntner Freiheitlichen – also des Hauptteils des von Haider gegründeten Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) – unter das Dach der freiheitlichen Gesinnungsgemeinschaft in ganz Österreich ist überaus bedeutsam für die Zukunft. Das BZÖ ist bundespolitisch nun ein Auslaufmodell.

Was seine Gegner nie geschafft haben, könnte nun der Hypo-Fall bewirken: die Demontage des „Mythos Haider“?

Mölzer: Dies spiegelt sich schon in Meinungsumfragen wider, aber es wird auch für die Freiheitlichen in Kärnten unumgänglich sein, sich vom Mythos Haider abzunabeln. Damit sind in Zukunft keine Wahlen mehr zu gewinnen.

Vor drei Jahren behaupteten Wirtschaftsexperten noch, daß die HGAA „wegen ihrer Tochterfirmen in Südosteuropa eine intakte Wachstumsstory bietet“.  Bayern wollte dort präsent sein. Daß auf dem Balkan nicht alles mit rechten Dingen zugeht, war schon in den Berichten zum EU-Beitritt von Rumänien und Bulgarien zu lesen. War das Debakel nicht absehbar?

Mölzer: Ich habe als Europaabgeordneter mehrere Anfragen an die EU-Kommission gestellt – und keine klare Antwort bekommen. Tatsache ist, daß insbesondere österreichische Banken seit der EU-Erweiterung nach Osteu­ropa gegangen sind: die Erste Bank nach Rumänien, die Raffeisengruppe in die Ukraine und die Hypo auf den Balkan – was langfristig gesehen wohl ein vernünftiges Engagement ist. Allerdings sind die Risiken, die Rechtsunsicherheit, die Korruption und auch mafiöse Strukturen noch so groß, daß man sich gewaltige Verluste einfangen kann. Das ist in Kroatien geschehen. Andererseits sind die damaligen bayerischen Pläne nicht ganz falsch gewesen. Was glauben Sie, was etwa die Liegenschaften, die die Hypo an der Dalmatinischen Küste erworben hat, nach dem EU-Beitritt Kroatiens wert sein werden? Da haben die Bayern vielleicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet,  wenn sie möglicherweise Dinge weggeben haben, die ihre Verluste in Zukunft hätten minimieren können. So gesehen war also der Gedanke, im Osten zu investieren, nicht falsch, aber man muß einen langen Atem haben und sehr vorsichtig herangehen.

 

Andreas Mölzer lebt in Kärnten und ist Mitherausgeber der Wiener Wochenzeitung „Zur Zeit“ und seit 2004 FPÖ-Europaabgeordneter.

 

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