© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/10 22. Januar 2010

Frisch gepresst

Fünfte Kolonne. Nur im speziellen Biotop der zwangsgeteilten deutschen Hauptstadt konnte dieses Parteigewächs überleben: Die Sozialistische Einheitspartei Westberlin war zwar bei Wahlen erfolg-, politisch aber nicht einflußlos; eine Kadertruppe, legaler Arm der Ost-Herrscher im Westen, „Brückenkopf“ der SED auf „feindlichem Territorium“. Einen festen Mitgliederstamm hatte sie unter den West-Angestellten der DDR-eigenen Stadtbahn. Sie wurde sowohl vom Verfassungsschutz (West) als auch zuweilen von der Stasi (Ost) mißtrauisch beäugt und war eingekeilt zwischen dem antikommunistischen Mainstream der autochthonen West-Berliner einerseits und dem zugereisten  linksalternativen Milieu nach 1968 andererseits (SEW – Die Westberliner Einheitssozialisten. Eine „ostdeutsche“ Partei als Stachel im Fleische der „Frontstadt“? Ch.Links Verlag, Berlin 2009, broschiert, 310 Seiten, 29,90 Euro). Als einzige Partei im Westteil der Stadt bekräftigte sie demonstrativ dessen politische Selbständigkeit. Im April 1989 verzeichnete die Mitgliederkartei 4.500, im Juni 1990 nur noch 1.000 Genossen. Die zur PDS „gewendete“ SED verzichtete fortan bei ihrer Westausdehnung aus Imagegründen auf die Mithilfe der SEW, die sich noch in Sozialistische Initiative umbenannte, bevor sie 1991 per Vorstandsbeschluß liquidiert wurde. Thomas Klein, Mitarbeiter am Zeithistorischen Forschungszentrum in Potsdam, hat eine bisherige  parteigeschichtliche Brache solide beackert und das parteipolitische „Mauerblümchen“ SEW freigelegt.

 

Mythen. Was eint John F. Kennedy, Papst Johannes Paul II., Asterix, Che Guevara und die Pop-Sängerin Madonna? Sie werden im abschließenden Band 7 (Moderne. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2009, gebunden, 214 Seiten, Abbildungen, 26,90 Euro) der vom Literturwissenschaftler Michael Neumann herausgegebenen Buchreihe „Mythen Europas – Schlüsselfiguren der Imagination“ als Repräsentanten des vergangenen Jahrhunderts vorgestellt, beziehungsweise ihr „Kultstatus“ für die jeweiligen Zeitgenossen analysiert. Dabei stellen die Autoren unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen, die ihre Beiträge in einer Vortragsreihe 2008/09 an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt gehalten haben, besonders die jeweilige Rezeption ihrer „Helden“ vor, in denen sich die Gesellschaft aufschlußreich widerspiegelt. Natürlich dürfen deshalb auch nicht die üblichen Spießgesellen aus dem Dunkeln (Hitler, Stalin, Lenin, Mussolini) fehlen, die immerhin bis zu ihrem jeweiligen Karriereknick fast ikonenhafte Anbetung genossen. Besonders hervorzuheben ist Michael Hagemeisters (München) pointierte Analyse des „Neuen Menschen“, der wie kein anderer für ideologische Verblendungen des Totalitarismus steht.

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