© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/10 15. Januar 2010

Frisch gepresst

Datenschutz. „Keine Frage: Wir sind weit entfernt von einem totalitären Staat, aber wir befinden uns durchaus auf dem Weg in einen Überwachungsstaat.“ Es sei dahingestellt, welchen Bedeutungsunterschied Michael Brückner und Andrea Przyklenk als Autoren des Sachbuchs zum Thema Datenschutz zwischen totalitärem und überwachendem Staat machen (Kursbuch Datenschutz. Der Ratgeber gegen den Röntgenblick. MankauVerlag, Murnau 2009, broschiert, 284 Seiten, 15 Euro). Denn die strittige Semantik dieser vorsichtigen Bilanz liest sich durchaus widersprüchlich zum umfangreichen Material, das hier in Sachen staatlich gelenkter Observation präsentiert wird. Die Autoren, die sich bisher mit Ratgeberliteratur zu wirtschafts- und finanznahen Themen hervorgetan haben, betreten mit der kritischen Analyse von Big-Brother-Qualitäten staatlicher Behörden publizistisches Neuland, was den mitunter unangenehm alarmistischen Ton ihrer Darstellung erklären könnte. Mit ihrer Einlassung zum Datenschutz haben Brückner und Przyklenk ein ergiebiges Sujet gewählt, dem die Politik regelmäßig aktuellen Anlaß verschafft, wie die neujährliche Diskussion über die Durchleuchtung von Flugzeugpassagieren zeigt. Wer Ratschläge braucht, wie man als Steuerzahler, Internetnutzer und Behördengänger dem „Röntgenblick“ des Staates entgehen kann, dürfte in diesem Buch fündig werden. Wer an einer sachlichen Aufbereitung des Themas interessiert ist, sollte sich an Literatur ausgewiesener Datenschutzexperten wie Peter Schaar oder des Soziologen Wolfgang Sofsky halten.

 

Fluchthilfe. Rüdiger von Fritsch, Jahrgang 1953, ist ranghoher Diplomat im Berliner Auswärtigen Amt. Zuvor war er Leiter des Planungsstabes des Bundespräsidenten, Vizepräsident des BND – und Paßfälscher. Im deutschen Fußballweltmeister-Sommer 1974 hatte er es gewagt, seinen Cousin sowie zwei seiner Freunde mittels manipulierter West-Pässe aus der DDR zu schleusen. Die Fluchtroute verlief über Bulgarien und von dort in die Türkei, weil man paradoxerweise weiter im Osten leichter in den Westen gelangen konnte. Fast wäre das Unternehmen schiefgegangen, weil die in akribischer Handarbeit nachgemachten bulgarischen Transitstempel auf einmal die Farbe gewechselt hatten. Fritsch, Großneffe des gleichnamigen einstigen Oberbefehlshabers des Heeres, schildert nicht nur Vorbereitung und Verlauf der risikoreichen Fluchthilfe, sondern berichtet auch über das weitere Schicksal der Entkommenen sowie derjenigen, die im totalitären Arbeiter- und Bauernstaat zurückbleiben mußten. Eine spannend geschriebene deutsch-deutsche Familiengeschichte (Die Sache mit Tom. Eine Flucht in Deutschland. wjs verlag, Berlin 2009, gebunden, 238 Seiten, 19,95 Euro).

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