© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/10 15. Januar 2010

Aus Qual wird Kunst
Selbstspiegelungen ohne Glitzerfassade: Romy Schneiders Lebensstationen
Harald Harzheim

Ein Gesicht läßt sich schminken, die Augen nicht – so könnte die Quintessenz der aktuellen Romy- Schneider-Ausstellung in Berlin lauten. Deren Titel „Romy Schneider. Wien–Berlin–Paris“ enthüllt den Anspruch der Deutschen Kinemathek, alle Karrierestationen nachzuzeichnen: vom Jungstar bis zum Ende.

Auf einem Monitor laufen Szenen aus Romy Schneiders Frühwerken, darunter ihr Debüt „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“ (1953), „Die Deutschmeister“ (1955) oder „Mädchen in Uniform“ (1958). Dauerlächelnde Akteure wandeln darin vor sauberer Kulisse, in heller Bildgestaltung. Da tut nichts wirklich weh, kein Problem geht an die Substanz. Eine Welt der Unverwundbaren tut sich auf. Selbst Erotik erscheint als pure Spielerei, mit kokettem Schirmdrehen und verrutschtem Träger.

Leider wurden die Szenen digital restauriert, was ihnen neben der Leere auch noch Sterilität verleiht. Trotzdem finden sich hier wahre Licht-Blicke, ausgehend von einem „Alien“, das fremd bleibt inmitten der Unverwundbaren: Rosemarie Magdalena Albach, spätere Romy Schneider, verfügte bereits in frühen Jahren über eine Präsenz, die sie weit über Spielpartner wie Curd Jürgens oder ihre Mutter Magda Schneider erhob – eine emotionale Authentizität, eine unverhüllte Verletzlichkeit. Es war die unmittelbare Sprache ihrer Augen, die über alles „Spiel“ hinausging, die selbst mit bestem Handwerk nicht erlernbar ist: eine Gabe, eine unerträgliche Sensibilität, an der die Besten regelmäßig zugrunde gehen. Ein ungeschminktes Privatfoto entlarvt die erschütternde Hilflosigkeit der 23jährigen. So jemand läuft ohne seelischen Schutzpanzer durch die Welt. Wie sehr sie aber verstand, ihre Qual in Kunst zu transformieren, zeigen die Pressefotos für „Mädchen in Uniform“: Als einsame Internatsschülerin, unglücklich in ihre Lehrerin verliebt, sieht man ihr tränenüberlaufenes Gesicht, den Mund zum Schrei geöffnet. Die Stimmung überträgt sich augenblicklich auf den Betrachter, läßt ihn lange nicht mehr los. Aber es ist nicht nur Leid, das diese Augen spüren lassen. Sie versprühen auch Lebensfreude, gar Intrigenlust, wie in Fritz Kortners TV-Skandal „Lysistrata“ (1961).

Ein anderer Monitor zeigt Ausschnitte aus Hollywood-Streifen – „The Cardinal“ (Der Kardinal, 1963), „What’s new, Pussycat?“ (Was gibt’s Neues, Pussycat?, 1965) – mit der jungen Österreicherin als glamouröser Diva, kontrapunktiert durch Szenen aus Hans-Jürgen Syberbergs „Romy. Porträt eines Gesichts“ (1965). In diesem Interviewfilm gesteht sie ungeschminkt, daß sie an purem Kommerz kein Interesse habe, von der Weltkarriere Abschied nehmen und viel lieber zum Theater wolle, sich aber nicht traue.

Also nach Paris. Dort ging alles schnell, Ruhm und Absturz. Sieht man in der Badewannenszene aus „Max et les ferrailleurs“ (Das Mädchen und der Kommissar, 1971) ihre makellose Haut und dann – nur wenige Schritte entfernt – ein lebensgroßes Foto der überaltert wirkenden Romy Schneider (1981), tablettensüchtig und gebrochen, dann muß man wissen, daß nur zehn Jahre dazwischen lagen. Vor diesem Hintergrund wirkt der ausgestellte Filmpreis, der französische César, wie wertloser Schrott. Ihre späte Rollenwahl fiel auf einsame, abhängige und verzweifelte Charaktere – Selbstspiegelungen ohne Glitzerfassade. Am 29. Mai 1982 beendete dann ein Herzanfall ihr Leben.

Der letzte Ausstellungsraum ist ganz der Kaiserin Elisabeth gewidmet, jener „Sissi“, mit der Romy Schneider frühen Kultstatus erlangte. Ihr Filmkostüm glänzt neben einem originalen Reisekleid der historischen Elisabeth. Auf einer Leinwand laufen parallel zwei Sissi-Interpretationen durch Romy Schneider: eine Szene aus der legendären Verfilmung von Ernst Marischka (1955–57), die andere aus Luchino Viscontis „Ludwig II“ (1972), in dem die 34jährige Schauspielerin ihre Jugendrolle wiederholte. Aber um wieviel abgeklärter! Auch die historische Sissi soll in Depression verfallen sein, heißt es.

Die Ausstellung ist bis zum 30. Mai in der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen, Potsdamer Straße 2, täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, Do. bis 20 Uhr,  zu sehen. Telefon: 030 /  30 09 03-0, Internet: www.deutsche-kinemathek.de

Foto: Romy Schneider: Eine unerträgliche Sensibilität, an der die Besten regelmäßig zugrunde gehen, Filmkostüm: Krönungskleid aus „Sissi, die junge Kaiserin“

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