© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/10 15. Januar 2010

Zeitverträge für Piraten
Während im Indischen Ozean die Überfischung zurückgeht, sterben in Nord- und Ostsee die Fische an Atemnot
Robert Backhaus

Neues von der Seeräuberfront im Indischen Ozean: Viele internationale Naturschützer jubeln seit einigen Tagen über die grausamen Piraten vor Somalias Küsten, da deren Treiben zu einem deutlichen Rückgang der Überfischung vor Afrikas Küsten geführt habe. „Zum ersten Mal seit langer Zeit gibt es wieder mehr Fische, als gefangen werden können“, verkündete freudestrahlend der Vorsitzende des kenianischen Fischereiverbands, Athman Seif, auf einer Pressekonferenz, „und das liegt eindeutig daran, daß die Fangflotten Angst vor den Piraten haben und folglich weniger oft auslaufen.“

Die Begeisterung wird freilich durch betrübliche Nachrichten von den deutschen Nord- und Ostseeküsten empfindlich konterkariert. Dort sterben zur Zeit viele noch keineswegs gefangene Fische, und zwar – wie zu vernehmen – schlichtweg an Atemnot. Sie können mit ihren Kiemen keinen Sauerstoff mehr aus dem Wasser filtern, denn der viele oben auf dem Wasser schwimmende frisch gefallene Schnee mache das Meer zappenduster. Er lasse keine Sonnenstrahlen mehr durch und hindere dadurch die Algen an der für das Überleben der Fische notwendigen Sauerstoffproduktion.

Man bräuchte äußerst wendige, den somalischen Piratenbooten ähnliche Schiffseinheiten, die in der Ostsee regelrecht Jagd auf schwimmende Schneeflächen machten, so wie sie im Indischen Ozean Jagd auf Fischtrawler machen. Vielleicht wäre es möglich, mit den Piraten sofortige Zeitverträge abzuschließen und sie so temporär von der Trawlerjagd auf die Schneejagd umzuleiten  – aber wer sichert dann die Fischbestände vor Somalias Küsten vor den Trawlerflotten?

Nun, auch die härtesten Winter werden irgendwann einmal ein Ende finden und mit ihnen der schwimmende Verdunkelungs-Schnee auf Nord- und Ostsee. Die Seeräuberangriffe im Indischen Ozean sind leider weniger jahreszeitlich bedingt. Für die dortigen Fischereiflotten bleibt die Gegend gefährlich, streckenweise lebensgefährlich. Vielleicht sollte die Uno mit den Räuberkapitänen in offizielle Verhandlungen eintreten, mit dem Ziel der Einführung einer saisonal begrenzten Seeräuberei. Davon hätten alle etwas.

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