© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/10 15. Januar 2010

CDU
Zucken des rechten Flügels
Dieter Stein

Die übliche 100-Tage-Schonfrist für die schwarz-gelbe Bundesregierung ist in Kürze vorbei. Die Ernüchterung wächst, so daß sich nach den Feiertagen insbesondere in den Reihen der CDU das Gefühl einer politischen Verkaterung verstärkt. Die Schadenfreude über den vernichtenden Absturz der SPD bei der Bundestagswahl kann nicht länger kompensieren, daß auch die CDU auf ein katastrophales Tief abgestürzt war und davon ausgerechnet ein liberaler Luftikus wie Guido Westerwelle bei bürgerlich-konservativen Wählern profitieren konnte. In Studien und Tagungen lotet deshalb die CDU-Spitze derzeit aus, welche strategischen Schlüsse sie daraus für die Zukunft ziehen will.

 Angela Merkel erweckt dabei nicht den Eindruck, als ob die fortschreitende Marginalisierung des konservativen Flügels ihrer Partei sie sonderlich bekümmert, den sie als Naturwissenschaftlerin wohl nur mehr als Spurenelement identifizieren würde. Die ungehörigen Attacken des Vizekanzlers und FDP-Chefs Westerwelle auf die CDU-Politikerin Erika Steinbach als Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV) nimmt die Kanzlerin mit stoischem Schweigen hin. Sie wird wahrscheinlich amüsiert die Pressemeldungen verfolgt haben, in denen dieser Tage über die tatsächlichen Mitgliedszahlen des BdV spekuliert wurde. Seit Jahrzehnten operierte der Vertriebenenverband mit einer wohl letztlich symbolischen Mitgliederzahl von zwei Millionen. Tatsächlich findet sich in den Karteikästen nur mehr eine mittlere fünfstellige Zahl.

In solchen Zahlen drückt sich das biologisch erklärbare Schwinden einer wichtigen konservativen Säule der Wählerschaft aus. Und die CDU-Vorsitzende kann sich bestätigt fühlen, wie schwach die sichtbaren Bataillone eines politisch kaum artikulationsfähigen konservativen Lagers im bürgerlichen Spektrum sind. Also meint sie es ignorieren zu können.

Überraschenderweise meldeten sich am Wochenende in einem Zeitungsartikel vier führende CDU-Politiker aus Hessen, Sachsen, Thüringen und Brandenburg zu Wort (siehe Seite 4). In der FAZ beklagen sie die Stimmeneinbrüche in „konservativen Hochburgen der Union“, deren Ursache sie in „Verärgerung über die Papstkritik“ und „mangelnde Unterstützung der Vertriebenen-Präsidentin“ ausmachen. Sie fordern klarere Aussagen zu „christlicher Orientierung“, Leitkultur, Lebensschutz und Patriotismus, wollen, daß trotz europäischer Integration der Staat „als Nation erkennbar bleibt“ – alles Chiffren für die national-konservativen Leerstellen der CDU.

Tut sich was auf dem „rechten“ Flügel der Union? Und wird dieser vorsichtige Vorstoß Folgen haben? Solange Wähler in nennenswertem Maße mangels relevanter Alternativen derzeit nur nach links abwandern können, kann die CDU-Vorsitzende auch weiterhin die Rest-Konservativen elegant auflaufen lassen. Dort, wo Entscheidungen gefällt werden müssen – Stichwort Vertriebene –, zeigt sich, wer die Macht in der CDU hat. Und so wird der Marsch in die Mitte der Beliebigkeit wohl ungebremst weitergehen.

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